Elizabeth George Mechthild Sandberg-Ciletti
Undank ist der Väter Lohn

(10. Band)
Original: In Pursuit of the Proper Sinner
Deutsch von Mechthild Sandberg-Ciletti
Blanvalet, gebunden
ISBN 3-7645-0009-3

Am umjubelten Premierenabend seines neuen Musicals nimmt sich der Komponist David King-Ryder scheinbar grundlos das Leben. Einige Wochen später findet eine Spaziergängerin in einem gottverlassenen Moor in Derbyshire die Leichen zweier ermordeter junger Menschen. Wie es scheint, kannten diese drei Menschen sich nicht, und es gibt keine nachweisbare Verbindung zwischen ihnen.
Eine harte Nuß, die es für Inspektor Lynley und Sergeant Barbara Havers zu knacken gilt - zumal die Zusammenarbeit der beiden am seidenen Faden hängt. Havers, die wegen einer Befehlsmißachtung vorübergehend suspendiert und später degradiert wurde, zweifelt an Lynleys Loyalität und stürzt in eine schwere berufliche und menschliche Krise.
Lynley dagegen bedrückt die Tatsache, daß es sich bei einer der Ermordeten aus dem Moor um die Tochter eines ehemaligen Polizeikollegen handelt. War die Tat vielleicht als später Racheakt an dem Vater der jungen Frau geplant?
Bald schon weisen diese und alle anderen Theorien gravierende Lücken auf. Doch dann befördern die unkonventionellen Ermittlungen von Barbara Havers einen Mörder ans Tageslicht - und mehr als einen Schuldigen.
Und am Ende steht für alle die bittere Erkenntnis, daß Worte mindestens ein Leben hätten retten können...

Rezension:
Wieder einmal hat Elizabeth George alles gegeben (obwohl ich zugeben muß, daß "Im Angesicht des Feindes" mir noch ein Quentchen besser gefallen hat), um den Leser in spannender und fesselnder Weise in die Abgründe der menschlichen Seele zu entführen. Jeder hat etwas zu verbergen, zeigt nach und nach seine dunklen Seiten - was sich trotz alledem bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen läßt und die Charaktere daher nicht per se in unsympathische Fieslinge verwandelt.
Angenehm und flüssig zu lesen beschreibt die Autorin, was geschehen kann, wenn jemand zur falschen Zeit am falschen Ort etwas tut, was er besser gelassen hätte. Als wäre das noch nicht genug, macht sie deutlich, wie die tragische Verknüpfung einer Reihe von Handlungsweisen, die jeder der Beteiligten in dem Moment für moralisch richtig und zwingend hält, zuweilen noch größeres Leid nach sich ziehen kann. Wem da nicht das Wasser in die Augen steigt, der muß wirklich ein Herz aus Stein haben!
Wie gut, daß es da noch meine ganz spezielle Lieblingsheldin Sergeant Barbara Havers (nach der Insubordination des letzten Buches zum D.C. degradiert) gibt. Mit ihren liebenswerten Schwächen, den kleinen Macken, aber vor allem ihrem eigenen Kopf ist sie das etwas andere Rollenmodell einer cleveren Polizistin schlechthin. Und wenn die leicht chaotische Kettenraucherin wieder einmal den Kampf gegen sich selbst verloren hat und sich doch in der Bäckerei um die Ecke eine Kalorienbombe gönnt oder sich in ihrer Mittagszeit gar in die Ermittlungen einmischt (obwohl eigentlich zur bloßen Schreibtischarbeit "verdonnert"), dann hat das schon viel Schönes.
Genauso wie der liebevoll gezeichnete Kollege Nkata, der - diesmal mit mehr Raum als in den vergangenen Büchern - als "Vermittler" zwischen Havers und Linley auftritt. Deren Verhältnis einen solchen Mediator fürwahr gebrauchen kann...
Ohne jedoch zu viel vorwegnehmen zu wollen, sei den George-Fans gesagt: Wer gefürchtet hatte, es werde zur tragischsten Trennung seit dem Auseinanderbrechen von Cindy & Bert kommen, kann aufatmen - das wird nicht geschehen.

Marionella