Das Buch direkt bei Amazon bestellen David Ambrose
EX

Original: Superstition
Bastei Lübbe TB
ISBN 3-404-14309-4

Geister werden in der Tiefe der Nacht beschworen, mit Hilfe von Zauberformeln und Ritualen. Der moderne Mensch des 20. Jahrhunderts nimmt derlei Dinge halb belustigt, halb irritiert zur Kenntnis.
Nicht so Dr. Sam Towne, Leiter des Parapsychologischen Instituts der Universtität New York. Er will beweisen, daß man einen Geist nicht nur rufen, sondern auch erschaffen kann - am hellichten Tage, kontrolliert von modernster Technik.
Zu diesem Zweck versammelt er acht Freiwillige, darunter seinen alten Physikprofessor, einen unverbesserlichen Skeptiker, und Joanna Cross, eine Journalistin, die beide gerade an einem brandheißen Fall von Betrug recherchieren.
Doch das Experiment gerät außer Kontrolle. Der Geist verhindert den Abbruch der Sitzungen - und das Grauen beginnt...
Das Buch basiert auf einem Experiment, das Anfang der 70er Jahre in Toronto tatsächlich stattgefunden hat und das in der Fachliteratur ausführlich behandelt wird.

Rezension:
Es ist erschreckend, es ist der pure Horror.
Was als harmlos aussehendes Experiment in wissenschaftlichem Kontext beginnt, entwickelt sich zu einem Alptraum, der den Leser um seinen Nachtschlaf bringt.
Adam, der von der Gruppe um Dr. Sam Towne erschaffene Geist, ein bis dato nicht existentes Wesen, das von der Gruppe erfunden wurde, um zu beweisen, dass geistige Kräfte imstande sind, nicht nur existierende Gegenstände zu bewegen oder zu verändern, sondern Neues zu erschaffen, wehrt sich dagegen, wieder in die Nicht-Existenz zurückgeschickt zu werden. Sein Wille steht gegen den Willen der Gruppe, ihre Existenz verhindert seine Existenz - mit erschreckenden Folgen...
Dem Autor gelingt es mit einem kleinen Trick, den gespannten Leser auf den ersten Seiten in den Bann der Geschichte zu ziehen und nicht mehr loszulassen. Am Anfang steht die Gegenwart, einige Seiten, die den Leser grübeln lassen, wie es zu dieser Situation kam. Das Adam-Experiment wird als Rückblick präsentiert und erschliesst dem Leser Seite für Seite den Hergang.
Es ist nun nicht einmal so, dass das Buch an sich besonders spannend geschrieben wäre. Nein, die manchmal schon fast teilnahmslosen Beschreibungen, klar und sachlich, sind es, die dem Leser ob der vorgestellten Folgen Schauer über den Rücken jagen. Die Phantasie des Lesers ist spannender als jede noch so gut ausformulierte Passage eines jeden Buches und David Ambrose bedient sich dieses Mittels geradezu hemmungslos.
EX sollte in keinem gut bestückten Bücherregal fehlen, auch wenn der Leser an sich keine überaus ausgeprägte Vorliebe für Übersinnliches besitzt. Die Spannung dieses Buches dürfte selbst die Skepsis gegenüber Geistphänomenen übertreffen.

Griselda

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Gastrezension(en):


Name: Michael Drewniok
Email: Drewniok-PB@gmx.de
Datum: 19.10.2001 (20:52)

Sam Towne, Psychologe an der Universität von New York, bemüht sich, dem Phä nomen des Übernatürlichen wissenschaftlich auf die Spur zu kommen. Gibt es eine Welt jenseits des Todes, oder erschafft sich der Mensch diese kraft seines Geistes selbst? Dem möchte Towne durch ein Experiment auf den Grund gehen: Er schart eine Gruppe interessierter Laien um sich, die unter seiner Anleitung einen Geist ins Leben rufen sollen. Zu der Gemeinschaft stösst die Journalistin Joanna Cross, die über den Versuch berichten soll. Towne und seine Helfer denken sich einen Namen - Adam - und eine Biographie für ihren Geist aus - er soll ein amerikanischer Abenteurer sein, der im revolutionären Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts einige zentrale Ereignisse der Welt geschichte miterlebt. Das Experiment glückt nach einigen Anlaufschwierigkeiten. Adam beginnt sein geisterhaftes Leben und berichtet von ‘seinen' (d. h. ihm angedichteten) Erlebnis sen: Geister sind offensichtlich tatsächlich ‘nur' Ausgeburten der Fantasie. Doch bald stellen sich Irritationen ein. Joanna findet Belege dafür, dass ein Mensch namens Adam einst tatsächlich gelebt hat - und dieser Adam war kein erfreulicher Zeitgenosse, sondern ein Lügner, Betrüger und Mörder. Als Adam sich immer nachdrücklicher zu Wort meldet und die Gruppe auch körper lich zu bedrohen beginnt, soll das Experiment vorsichtshalber abgebrochen werden. Doch nun zeigt sich, dass Adam keineswegs gedenkt, sich wieder in Nichts aufzulö sen. Er hat inzwischen eine besondere Beziehung zu Joanna aufgebaut, die sich ihrerseits in Sam Towne verliebt hat. Die Gruppe verstärkt ihre Bemühungen, Adam zu ‘töten' - und dieser schlägt zurück. Ein Mitglied nach dem anderen kommt auf ungewöhnliche Weise zu Tode, während Adams Gegenwart immer stärker wird. Joanna findet heraus, dass die Gruppe ihn vielleicht ursprünglich erschaffen hat. Aber nun gibt es ihn wirklich, und er beginnt, die Realität nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Adam, der sich auch noch als Schüler der Schwarzen Magie erweist, verändert die Vergangenheit, erschafft einen parallelen Zeitstrom und eine neue Gegenwart, aus der seine letzten überle benden Schöpfer Sam und Joanna nach und nach getilgt werden. Sie verblassen zu jenen Geistern, wie sie selbst einen gerufen haben. Adams Leben ist nun zum rea len Teil der Vergangenheit geworden, und seine Nachfahren nehmen den Platz von Sam und Joanna ein. Die Geister, die man rief, man wird wie womöglich nicht mehr los - diese Erfahrung musste - frei nach Goethe - sogar schon Micky Maus machen (1940 in "Fantasia"). Kennt man die Geschichte vom Zauberlehrling und den üblen Konsequenzen, die das unbedachte Heraufbeschwören unbekannter Kräfte nach sich ziehen kann, wird David Ambroses Roman dem Leser keine besonderen Überraschungen mehr bieten können. Dabei hat sich der Autor nach Kräften bemüht, die uralte Vorlage zeitge mäss aufzubereiten; lange hat er in den Annalen der parapsychologischen For schung recherchiert (die wichtigsten Quellen listet er pflichtschuldig in einer vorange stellten Danksagung auf). Leider hält er es für erforderlich, den Leser ausführlich mit den Ergebnissen seiner Studien zu konfrontieren. Statt sie in die Handlung zu inte grieren, lässt Ambrose seinen Helden Sam Towne gelehrte Vorträge halten, sobald etwas Seltsames geschieht, bis man seine ewige Besserwisserei gründlich über hat. Erst nachdem er seine Leser einem Grundkurs in Sachen Parapsychologie unterzo gen hat (bis dahin sind schon einhundert mässig spannende Seiten verstrichen), lässt Ambrose seinen Geist erscheinen. Sobald Adam die Bühne betreten hat, tut er genau das, was Geister eben zu tun pflegen: Er gibt Klopfzeichen, buchstabiert kryptische Botschaften und wirft mit schweren Gegenständen. Horror und Entsetzen bei der Gruppe, die ihn heraufbeschwor, und natürlich meldet sich sofort einer mit der obligatorischen Mahnung, man solle an bestimmten Dingen zwischen Himmel und Erde besser nicht rühren, um sich nicht zu versündigen. Klar, dass Adam diesen hausbackenen Besserwisser zuerst aus dem Weg räumt. Überhaupt läuft im Mittelteil die Geschichte von den zehn kleinen Negerlein ab: Die Geisterbeschwörer bemühen sich, ihren Gast ins Nirgendwo zurückzutreiben, wäh rend dieser seine Gegner auf möglichst einfallsreiche Weise zu Tode bringt. Gleich zeitig finden der Held und seine Gefährtin - inzwischen ein Liebespaar, wie es die Regeln des Genres fordern - immer mehr über Adam heraus, ohne dass dieser das verhindert: Erst muss er die Nebenfiguren abservieren, bevor er sich den Hauptdar stellern widmet - auch das ist eine eherne Regel, die jeder Schriftsteller beherzigen sollte, der sein Werk in Hollywood platzieren möchte! Inzwischen mag auch Ambrose bemerkt haben, dass er seine Leser im letzten Drit tel durch einen Knalleffekt aus dem Schlaf reissen muss. Jetzt wird es kompliziert: Adam greift ins kosmische Raum-Zeit-Gefüge ein und ruft sich selbst ins Leben, während er Sam und Joanna auf ein temporales Nebengleis abschiebt. Wieso die beiden die Erinnerung an die ursprüngliche Vergangenheit behalten, während alle übrigen Zeitgenossen plötzlich durch Unwissenheit glänzen, bleibt des Autors Ge heimnis. Freilich wäre die Geschichte ansonsten in diesem Moment zu Ende. Doch Ambrose ringt erbittert um Tragik und Dramatik im letzten Akt. Schlimm genug, dass Adam sang- und klanglos verschwindet: Sobald er den Zeitstrom umgeleitet hat, kehrt er offenbar zufrieden ins Jenseits zurück; Genaues erfährt man nicht. Statt dessen verwandelt sich Joanna in der neuen Realität in einen Geist. Den geliebten Sam holt sie nach, aber sie lässt ihm freundlicherweise Zeit genug, den Leser mit einem letzten Referat über die physikalischen Gesetze von Ursache und Wirkung (nach Niels Bohr) zu beeindrucken, bevor auch er freudig ins Reich der Geister ent eilt und den Preis für seinen sündhaften Wissensdurst bezahlt (der "Frankenstein- Effekt"). Bleibt noch die Frage, wie der deutsche Titel dieses jederzeit durchschnittlich, aber wenigstens flott zu lesenden Werks zustande kam. "Superstition", wie der Roman im Original heisst, müsste korrekt mit "Aberglaube/n" übersetzt werden, was aber an scheinend als nicht zugkräftig genug erachtet wurde. Aus unerfindlichen Gründen wurde daraus "Ex" - "Ex" wie "extraordinär" (= "aussergewöhnlich"), oder "Ex" wie in "Akte X", um auf diese Weise ein paar Käufer mehr anzulocken?