Das Buch direkt bei Amazon bestellen Wilfried Eggers
Die Tote, der Bauer, sein Anwalt und andere

grafit TB
ISBN 3-89425-233-2

Ein "ganz normaler" Mord im nassen Weser-Elbe-Dreieck: Mann tötet Frau, die ihn verlassen hat.
Doch wer oder was ist schon normal?
Die Umstände, unter denen August von Borstel, der Tatverdächtige, festgenommen wird, sind es jedenfalls nicht: Laut "Es-gibt-kein-Bier-mehr-auf-Hawaii"-grölend, steht er im Melkstand seines Bauernhofes und lässt keinen an sich ran; Polizeiobermeister Schäfer hat später Mühe, den Bericht über die Festnahme so zu verfassen, dass sein eigener unglücklicher Auftritt nicht zu deutlich wird.
Auch Pflichtverteidiger Schlüter macht der Fall nicht glücklich - die Regeln vor Gericht sind starr, die Rollen, die die Beteiligten zu spielen haben, klar, der Angeklagte leugnet die Tat nicht. Was soll der Anwalt da noch ausrichten?
August von Borstel seIbst schließlich scheint resigniert und redet nicht - bis ihm bewusst wird, dass der Knast für die nächsten Jahre sein Zuhause sein wird. Gemeinsam mit zwei Mithäftlingen bricht er aus, um sich drei Wochen später freiwillig wieder zu stellen.
Was geht in dem kantigen Bauern, dessen Leben bisher nur aus harter Arbeit bestand, vor? Und was geht in Frau Kalde, der "Moorhexe" vor, die dem Anwalt Schlüter zu verstehen gibt, dass sie Entscheidendes über den Mordtag weiß? War der Mord wirklich so "normal"?

Rezension:
Lieber Leser: Die Moorhühner suchst Du hier umsonst!
Vermutet man doch zunächst in diesem bäuerlich/ländlich angehauchten Krimi aus dem norddeutschen Raum, dass der Mörder mit der Flinte auf Moorhuhnjagd geht.
Aber, nein, klarer Fall von Ist-Nicht!
Hier liegt die Leiche ganz still und heimlich erstochen auf dem kleinen Hof einer 3-Generationen-Familie und bedeutet das Ende der bäuerlichen Gediegenheit und des holden, kleinen Familien"glücks".
Als Nicht-Norddeutschling mag es für den einen oder anderen Leser ein nicht uninteressanter Einblick in den norddeutschen ländlichen Habitus sein - gespickt mit kleinen Fein- und Gemeinheiten des "dörflichen" Lebens, wie sie in jedem Teil Deutschlands stattfinden könnten und doch wäre der Krimi in seinem Stil in Bayern falsch angesiedelt, da nun einmal die "Trockenheit" der feuchten Moorländer hervorragend zum Gesamtbild des Mordfalls passt.
Kleinere Gesprächspassagen in plattdeutsch könnten es dem nicht plattdeutsch-gewohnten Ohr und Auge schwermachen etwas zu verstehen; allerdings sind die gesagten Dinge nicht unbedingt von ausserordentlicher Bedeutung und können auch überlesen werden - es tut dem Handlungsstrang keinen sonderlichen Abbruch.
Genau wie die "fremdsprachlichen" Passagen kann der Leser von den "Exkursionen" zu weiteren Romanfiguren und deren Leben und Umfeld irritiert werden - vielleicht hat es aber auch seinen Reiz?
An der Stelle "hängt" der Roman ein wenig und man fragt sich, welcher Sinn wohl darin liegen mag, sich in diese Sackgasse hineinzulesen - haben doch die vorgestellten Personen und Gegebenenheiten keinen sonderlichen Einfluss auf das Geschehen als solches. Eher fällt dies alles mehr in die Sparte "Vorstellung der mithandelnden Personen", nimmt aber einen nicht unerheblichen Teil des Buches ein.
Das Ende (Wie das Leben nun mal so spielt - "Big Brother" is watching you everywhere - und letztlich führt dies zur Aufklärung des Falles) ist nicht unbedingt überraschend: für einen gewieften und krimierfahrenen Leser durchaus absehbar.
Das Auftauchen von kleineren Überraschungen löste trotz allem am Schluss den dringenden Wunsch aus, das Buch jetzt unbedingt zuende lesen zu wollen um zu erfahren: WER, WIE und WARUM.
Die Art Aufklärung eben, die der Leser leider am Anfang des Romans schmerzlich vermisst...

Woerdi