Das Buch direkt bei Amazon bestellen Heribert Schwan
Tod dem Verräter! - Der lange Arm der Stasi und der Fall Lutz Eigendorf

Knaur TB
ISBN 3-426-77516-6

Macht, Manipulation, Mord - die Stasi hatte alle Mittel, um unliebsame Bürger jederzeit zum Schweigen zu bringen.
An dem Fußball-Nationalspieler Lutz Eigendorf aber statuierte sie ein Exempel ganz besonderer Art: Als Stammspieler des BFC Dynamo Berlin setzte sich Eigendorf 1979 in den Westen ab, um künftig für den 1.FC Kaiserslautern und später für Eintracht Braunschweig zu spielen.
Vier Jahre später war er tot.
Unfall oder Mord?
Heribert Schwan rollt den Fall anhand von Unterlagen der Gauck-Behörde neu auf. Er kommt einem grausam Verbrechen auf die Spur: Die Stasi hat ein unsichtbares Netz von Agenten, Spitzeln, Observierungen und Abhörmaßnahmen über die Familie des Spielers in der DDR und den abtrünnigen "Verräter" im Westen ausgeworfen, um dann, als die Zeit reif war, allmählich die Schlinge zuzuziehen...
Zum ersten Mal kommt jetzt Licht in diese mit kalter Geduld verfertigten Protokolle eines minuziös geplanten Todes.

Rezension:
Falls Sie zu der an sich wohl eher kleinen Bevölkerungsgruppe gehören, für die es nichts Aufregenderes gibt als einen richtigen Behördenvorgang mit Aktenvermerken, Gesprächsnotizen und Protokollen, dann führt an diesem Buch für Sie ohnehin kein Weg vorbei.
Sie werden begeistert sein von den regelmäßig eingestreuten Auszügen aus staubtrockenen Akten der Staatssicherheit der DDR, werden voll Vergnügen so einfallsreiche Organisationsbezeichnungen wie "Hauptabteilung IX/9 des Ministeriums für Staatssicherheit" lesen und das hohe Maß an Fantasie goutieren, das sich hinter IM-Decknamen wie "Paulchen", "Boxer" oder "Konstantin" verbirgt.
Sollte das aber nicht so sein, werden Sie sich anfangs wohl eher mühsam durch einen Text arbeiten, der auch in seinen erzählerischen Teilen recht zäh und schwer lesbar ist.
Die sprachlich flache und eindimensionale Erzählweise ist aber durchaus angemessen einer banalen und meist recht vorhersehbaren Geschichte.
Wenn Sie also einen echten Krimi suchen, mit viel Spannung, überraschenden Wendungen und vielleicht sogar einem dramatischen Ende - dann lassen Sie die Finger von diesem Buch.
"Tod dem Verräter" hat aber auch gar nicht den Anspruch, kurzweilige und spannende Unterhaltung zu bieten.
Vielmehr versucht Heribert Schwan gerade am Beispiel von insgesamt betrachtet völlig normalen und durchschnittlichen Menschen zu zeigen, was ein verbrecherisches und totalitäres Staatswesen aus deren Leben machen kann.
Die unendliche Banalität des Bösen zeigt er in der Gedankenlosigkeit, mit der vermeintliche Freunde und Bekannte einer harmlosen betrogenen Ehefrau zum Teil geradezu eifrig, meistens zumindest ohne größere Skrupel, deren ganzes Leben, bis hin zu ihren intimsten Gefühlen, an einen unpersönlichen Apparat verkaufen.
Am Ende zeigt Schwan nur menschliches Elend: ein Toter, vielleicht ein Mörder - das Buch kann natürlich nur Indizien sammeln, ein "gerichtsfester" Nachweis könnte sich wohl nur durch Zufall irgendwo in den Akten der Gauck-Behörde finden -, eine Ehefrau und ihre Tochter im Westen, die ihr Lebensglück als Spielobjekt eines Terrorregimes erkennen müssen und eine Frau im Osten unserer noch jungen gemeinsamen Republik, die wohl niemals wieder in der Lage sein wird, einem Menschen zu vertrauen. Aber auch informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit, die vor den Trümmern ihres Lebens stehen, ohne Hoffnung auf eine zweite Chance.
Als Krimi ein Fehlgriff ist "Tod dem Verräter" für zeitgeschichtlich Interessierte eine echte Empfehlung.
Das Buch kann aber auch eine gute Hilfe sein, uns "Wessies" manche zurückhaltende oder gar ablehnende Reaktion der Menschen verständlicher zu machen, die ein halbes Leben lang im Schatten von Erich Mielkes Stasi verbringen mussten.
Und schließlich sei es noch all denen wärmstens ans Herz gelegt, für die "Big Brother" nur "fetter Fun" ist und nicht die beklemmende Vision einer möglichen zukünftigen Entwicklung, wenn menschliche Würde und Selbstbestimmung als Selbstverständlichkeit und politische Verantwortung jedes Einzelnen als unnötiger Stress (fehl)verstanden werden.

Rainer Grund