Francis Roe
Kunstfehler
Original: Doctors & Doctors' Wives
New York 1955: Die Medizinstudenten Greg Hopkins und Willie Stringer werden auf der Universität gute Freunde, obwohl sie eigentlich sehr unterschiedliche Menschen sind. Greg muß für seinen Erfolg hart arbeiten, während Willie scheinbar alles zufliegt. Als Willie sich in die schöne Musikstudentin Liz Phelan verliebt, wird die Freundschaft auf eine harte Probe gestellt, denn auch Greg liebt Liz. Doch er will seinem Freund nicht in die Quere kommen. Willie allerdings kann icht treu sein, und als ihn Liz in flagranti mit einer anderen Frau erwischt, trennt sie sich von ihm und verläßt New York.
Rezension:
Erna
Heyne TB
ISBN 3-453-17159-4
Dreiundzwanzig Jahre später, 1988, sind Greg und Liz glücklich verheiratet und haben vier wohlgeratene Kinder. Da begegnen sie Willie wieder, der ein bekannter Chirurg ist, während Greg als einfacher Allgemeinarzt arbeitet. Das Wiedersehen ruft in Liz alte Gefühle wach. Als Liz' und Gregs Sohn Edward schwer erkrankt, scheint Willie der einzige zu sein, der ihm helfen kann...
Für die Lektüre des im folgenden besprochenen Buches sollten Sie eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie haben ein abgeschlossenes Medizinstudium
oder aber
2. Sie haben einen Freund, Verwandten oder Bekannten, der zu jeder Tages -und Nachtzeit bereit ist, ihre Wissenslücken auf diesem Gebiet zu stopfen.
Denn der Autor, seines Zeichen selbst Chirurg, lässt seine Leser mehr als einmal im Unklaren darüber, was es mit den Begriffen seiner Zunft auf sich hat.
Francis Roe erzählt eine eher unterhaltend denn spannend zu nennende Geschichte über zwei junge Maenner, die so unterschiedlich sind, wie es dem gängigen (amerikanischen) Klischee entspricht: Dem einen fliegt alles zu, der andere muss hart dafür arbeiten. Der eine ist reich, der andere arm. Konsequent wäre es gewesen, den einen schwarz und den anderen weiss zu zeichnen, aber vielleicht ist das inzwischen, des Vorwurfs des Rassismus wegen, nicht mehr so ein gern genommener Kontrast.
Die beiden studieren zusammen Medizin, Will zieht es in die Chirurgie, Greg in die Allgemeinmedizin. Will hat zum Zeitpunkt des Studiums eine Freundin, die ihn und New York verlässt, als sie ihn mit ihrer Freundin im Bett erwischt. Jahre später trifft sie Greg wieder, sie heiraten und bekommen Kinder. Eines davon ist schwer krank, Will, mit dem sie lange keinen Kontakt mehr hatten, erscheint ihnen als der grosse Retter und bietet auch tatsächlich an, die OP zu übernehmen. Nach an sich erfolgreich verlaufender Operation stirbt das Kind. Greg droht daran zu zerbrechen.
Und dann stirbt Will, und es hätte fast ein Mord sein können. Wer die Waffe auf ihn gerichtet hat, ist eine mittlere Überraschung.
Es hätte eine interessante Geschichte werden können, psychologisch gut ausgeleuchtet, die Ansätze dafür sind da:
Da ist einmal die Beziehung der beiden, wenn auch zeitversetzt, zur selben Frau.
Es gibt die Frau selbst, die Will heiss und innig geliebt hat und die Greg heiratet.
Dann sind da charakterliche Unterschiede der beiden Männer, die Konfliktpotential beinhalten:
Will, der Macher, der sich allzu sehr darauf verlässt, dass ihm nichts schief geht. Greg, das Weichei, der hundertprozentig für seine Patienten da ist, aber kaum für seine Familie.
Dann gibt es da noch Patsy, die Tochter, die aus der Liaison stammt; da gibt es Wills Ehefrau, die an Krebs erkrankt ist und Douglas, den Bruder des kranken Jungen, der in Drogenhandel verwickelt ist und auf Rache sinnt.
Und es gibt das Geklüngel im Krankenhaus, Versicherungs-, Prestige-, Erfolgsprobleme.
Und sowieso die Geschichte um falsche Diagnosen, überhebliche Ärzte, Angst vor Autoritäten und vor Courage.
Jeder Ansatz für sich, gut recherchiert und geschickt in ein Netz verknüpft, das den Leser gefangen hält, hätte die Chance auf eine gute Geschichte gehabt. So aber wählt der Autor den Weg des geringsten Widerstandes, tippt alles mal an und lotet nichts aus.
Herausgekommen ist ein Buch, das unterhält - und Sie, wenn Sie ein engagierter Leser sind und ihre Hausaufgaben machen, erfahren lässt, was solche Sachen wie Haemorrhagie, Laryngoskop, endotrachealer Tubus, Umbilicus oder SLE ist.