Das Buch direkt bei Amazon bestellen Ursula Steck
Alles im Fluss

grafit TB
ISBN 3-89425-219-7

Toni Walter, wortkarge Kölner Taxifahrerin, die auf eine chaotische Familiengeschichte zurückblickt, wünscht sich vor allem eines: einen geruhsamen Alltag.
Doch dann treibt eines Abends, kurz vor Weihnachten, im Rhein ein toter Junge - direkt vor ihrer Haustür. Kopflos versucht sie ihn zu bergen und kommt selbst fast dabei um.
Nach dieser Nacht gelingt es Toni nicht mehr, ins Gleichmaß der Tage zurückzukehren: Sie macht die Bekanntschaft mit der Familie des Toten, Christian, und wird mit Problemen konfrontiert, die sie aufwühlen. Und die Todesfälle in Tonis Umgebung häufen sich, es sind zu viele um noch darüber hinwegsehen zu können.
Schließlich wird eines Abends auch noch Nora. Tonis Freundin, am Rhein überfallen und landet als Komapatientin auf der Intensivstation.
Dies reißt Toni endgültig aus der Lethargie, und sie beginnt Nachforschungen anzustellen. Was sie herausfindet, lässt sie entsetzen: Anscheinend ist Nora, die als Systembetreuerin einer Computermailbox fungiert hat, in den Datennetzen auf die Spur eines Kinderpornohändlers gestoßen - und der tote Junge aus dem Rhein war eines der Opfer.
Toni verschafft sich Zugang zu Informationen in den Netzen und taucht immer tiefer ein in das Chaos der Datenfluten. Gleichzeitig ermittelt sie gemeinsam mit der 13-jährigen Schwester von Christian im Umfeld des Bruders.
Während der Rhein steigt und eine Flutkatastrophe droht, hat Toni den Täter inzwischen eingekreist und will ihm eine Falle stellen.

Rezension:
Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss - so möchte es Toni am liebsten haben, in ihrem alternativen Wohnschuppen am Rhein-Ufer, wo sie mit ihren Nachbarn ein typisches thirty-something-Nebeneinanderleben führt.
Toni fährt Taxi, nicht gerade der Traumjob für eine Frau, besonders nachts nicht, selbst in Köln, der Hauptstadt der deutschen gay-community.
Da kommt der tote Junge, der Toni vom Rhein vor die Füße gespült wird, ziemlich ungelegen - eine Störung des langen ruhigen Flusses, auf den Toni sich gerne treiben lassen möchte, um endlich Klarheit über ihre chaotische Kindheit zu gewinnen.
Mit dem Toten im Fluss kommt alles in Fluss - eine Kriminalgeschichte, die von Kommunikationsdefiziten des gewöhnlichen Großstädters handelt, der über Handy, Fax und Computer mit allem und jedem in Kontakt steht, ohne wirklich jemandem nahe zu kommen.
Nur folgerichtig, dass dann schließlich am Ende das Innenleben einer Computer-Mailbox in den Mittelpunkt des Interesse gerät: Tonis hörbehinderte Freundin Nora hat aushilfsweise den Sysop-Job übernommen und ist dabei mit anderen ein paar Kinderporno-Dealern auf die Schliche gekommen, die in den dunklen Ecken des (nach heutigen Maßstäben antiquierten) Systems ihre Bilder getauscht haben.
Ein paar engagierte Frauen haben versucht, die Pädophilen aus ihren elektronischen Verstecken zu locken. Eine von ihnen scheint das nicht überlebt zu haben - womit sich dann ganz unverhofft wieder der Kreis zu dem toten Jungen aus dem Rhein schließt, der offenbar eines der Opfer war.
Wenn Ursula Steck erzählt, gerät alles in den tiefen, grüblerischen Sog ihrer Protagonistin und schwappt dabei immer wieder an die Grenzen des eigentlichen Kriminalromans - weil Toni Walter sich der Rolle der klassischen Amateur-Ermittlerin immer wieder entzieht und die Entwicklung des Falles eher als Zaungast miterlebt.
Kein Lesevergnügen also für die Fans der toughen Krimiweiber von Maria Gronaus oder Gabriella Wollenhaupts Gnaden, für die die Welt nur eine Projektionsfolie ihrer Überlegenheits-Koketterien ist.
Stattdessen ein Krimi down to earth, mit Menschen, die mit ihren Kommunikationsdefiziten zu tun haben.
Eine Geschichte aus einer Welt, in der gefaxt und gemailt wird, ohne dass sich die Beteiligten wirklich nahe kommen.
Das schafft erst Toni bei ihren Recherchen - und muss erleben, dass es dann echt gefährlich wird.

Reinhard Jahn