Das Buch direkt bei Amazon bestellen Doris Gercke
Der Tod ist in der Stadt

Goldmann TB
ISBN 3-442-44426-8

in Mann bezieht die Dachwohnung eines renovierten Hauses im Hamburger Stadtteil Hammerbrook. Er macht sich Notizen über die Hausbewohner, auch über die junge Frau, die er sich als nächstes Mordopfer ausgesucht hat.
Als diese sich ihm vertrauensvoll mit einem Anliegen nähert, ist er gerührt und ermordet an ihrer Stelle eine ebenfalls im Hause wohnende Rollstuhlfahrerin.
Inzwischen ermittelt die Polizei. In Brunner, einem fähigen, aber alkoholabhängigen Beamten, erkennt der Mörder einen ernstzunehmenden Gegner und handelt...

Rezension:
Wie heimlich kommt der Leser an diesen Text, schließlich ist es ein Tagebuch. Und so ein Tagebuch ist nicht für die Öffentlichkeit gedacht.
Das Prickeln eines Voyeurs soll der Leser spüren. Er würde es nicht zugeben, dass er sowas täte, der Leser, aber er tut es doch. So, als führe er an einem Autounfall vorbei, ganz langsam, um was zu sehen. Und er bekommt etwas zu sehen.
Ein fieses Tagebuch. Hinterhältig.
Vielleicht ist der Leser gar nicht mehr froh darüber, einen Blick in dieses Tagebuch geworfen zu haben. Es wird darin nebenbei und doch nicht nebenbei gemordet.
Es ist Teil eines jämmerlichen Lebens, das Morden. Das Leben eines dicken gestörten Mannes, der kleinen Mädchen den Hals durchtrennt und erwachsene Frauen in den Müll wirft.
Zwangshandlungen und Ängste aus der Sicht dieses Mannes sind in dem Tagebuch festgehalten, das den einigermaßen seelisch gesunden Menschen durchaus belasten könnte.
In der Krimihandlung spürt so manch eine Frau Unbehagen, wenn der ihr unbekannte Mann, der ein Mörder ist, vorbei geht. Auch ein Polizist, Alkoholiker, aber mit Gefühlen begabt, merkt, dass etwas nicht stimmt, ohne dass er sagen könnte, was es ist.
Die meisten Männer, die merken es nicht.
Nicht einmal der erfolgreiche Psychologe, empfindet den Serientäter als irgendwie unangenehm oder auffällig. Im Gegenteil ist es sogar so, dass so mancher Wesenszug des Psychologens mit dem des Mörders gewisse Übereinstimmungen zeigt. So haben sie recht ähnliche Auffassungen darüber, wie eine Frau zu behandeln sei und meinen darüber Bescheid zu wissen, was einer Frau gut tut und wie sie zu denken, zu handeln, und zu fühlen hat.
Und es gibt eine Menge Frauen, die ihren Verstand ausschalten, wenn das Wort "Liebe" zu ihrem Recht kommen möchte.
Ein in seinen beinahe anschaulich-naiven Schilderungen unangenehm authentisches Buch, das nicht nur die Seite des Frauenmörders anhand seiner angeblichen Tagebucheinträge schildert, sondern auch die Sichtweisen von anderen mitteilt: der des benachbarten Psychologen und seiner Frauen, der des alkoholkranken aber guten Polizisten.
Erst dieser Perspektivwechsel macht das Buch zu einem lesbaren Krimi. Alles andere wäre nur etwas für angehende Mitarbeiter der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie oder Spezialtherapeuten, die einen Fall wie diesen als interessante Studie der Psyche eines Serienmörders ansehen könnten.
Zum Schluß begegnet dem Leser kurz eine "ältere Person mit Pelzmantel" namens Bella Block, die gerade aus Sibirien kommt. Ein dezenter Hinweis auf eine andere Krimiserie der Autorin, den man sich merken sollte.

Iris Groschek