Das Buch direkt bei Amazon bestellen Fernando Vallejo
Die Madonna der Mörder

Original: La virgen de los sicarios
Zsolnay gebunden
ISBN 3-522-04988-6

In Medellin, der Hauptstadt des Verbrechens, beten die jungen Auftragskiller zur Jungfrau Maria, damit sie ihr Ziel nicht verfehlen.
In Medellin beunruhigt nicht die Vergänglichkeit des Lebens, sondern die des Todes: Noch der prominenteste Tote ist beim nächsten Fußballspiel vergessen.
Und in Medellin ist man überzeugt von der Existenz Gottes, weil man überall Zeichen seiner Bosheit sehen kann.
In Medellin geht man zur Kirche, weil man dort sicher ist - die Killer erwarten einen draußen.
Der Ich-Erzähler, ein gebildeter, wohlhabender älterer Mann, streift mit Alexis, seinem jungen Geliebten, durch die Stadt und ihre trostlosen Slums. Wohin sie auch gehen, sie hinterlassen stets eine Blutspur. Der Taxifahrer wird frech? Er wird umgelegt. Ein Mann spielt zu laut Radio? Das wird mit dem Tod bestraft. Andere haben sich nichts zuschulden kommen lassen, ihr bloßes Vorhandensein wird ihnen zum Verhängnis.
Doch auch den engelschönen, fast noch kindlichen Mörder wird sein Schicksal ereilen.

Rezension:
Gleich auf der ersten Seite wird der Leser direkt angesprochen, nein, angeraunzt.
"Hey, du verstehst ja eh nix von dem, was ich dir zu erzählen versuche!"
Herablassend, aber nicht schnoddrig; kalt, aber nicht gefühlsarm; zwischen Frechheit und kühler Leidenschaft gibt uns der letzte studierte Grammatiker Kolumbiens, ein armer Mann, wie alle, die - zweifelhafte - Ehre, uns etwas zu berichten: Eine story aus der Hauptstadt des Hasses, die so viele Kirchen wie Kneipen hat.
Der Autor, geboren in eben dieser Stadt, Medellin, ist auch Regisseur und Anklänge an Quentin Tarantino und Oliver Stone sind nicht zu überlesen.
Es gibt kein Glück für die Stricher-Jungen von Medellin in ihrer Welt des Fernsehens und der Drogen, die mit Mythen und Lügen leben, denn die nackte Wahrheit zu erkennen, hieße, sich sofort selbst zu erschießen. So lebt man aber vor sich hin, zwischen Fußballübertragungen und kirchlichen Prozessionen und killt ab und an jemanden, der einem so vor die Füße kommt und den man nicht so recht leiden kann, sei es, dass er zu laut pfeift, sei es, dass er einem entgegenkommt, sei es, dass sein Kind zu laut schreit.
Dabei ist es nicht die Schilderung ekliger Details, die dem Leser Übelkeit verursacht (und auch nicht die Darstellung der Frau an sich als hohle Kokosnuss ohne Seele), sondern die Art, mit wie viel Menschenverachtung, Hass und zunehmender Selbstverständlichkeit hier jemand seine Tage und seine Einsichten in das Leben schildert.
Und so wähnt sich der Leser zwischen Natural Born Killers - so an die 250 Tote mag der junge Geliebte innerhalb kürzester Zeit abgeknallt haben - und Tarantino, nur dass hier der Liebhaber der Killer ist, während der Erzähler der coole Gebildete ist, der kalt und provozierend seine Thesen dem Leser vor den Latz knallt.

Iris Groschek