Das Buch direkt bei Amazon bestellen Doris Gercke
Bella Block: Ein Fall mit Liebe

Goldmann TB
ISBN 3-442-42725-8

Seit ein paar Monaten ist Christa Böhmer verschwunden. Ihr letztes Lebenszeichen war ein Brief an ihre Mutter, abgeschickt in einer Stadt in Vorpommern.
Bella Block verfolgt die Spur der Vermißten auf ihre Art, lernt Christas Lebensumstände kennen und ihre Vergangenheit, redet mit ihrer Familie und erfährt schließlich, was sie wissen will.
In diesem Teil der ehemaligen DDR herrscht Aufbruchstimmung; schnell und effektiv soll auf allen Gebieten westlicher Standard erreicht werden. Doch im Wettrennen um Geld und Erfolg überleben nur die Cleversten - so wie es schon in den vergangenen vierzig Jahren und während der Nazizeit war. Inzwischen ist die Hoffnung vieler Menschen, endlich ihr Glück zu machen, so groß, daß selbst kleinste Störungen nicht geduldet werden.
Als Bella diesen grausamen Mechanismus durchschaut, gerät sie selbst in die Schußlinie...

Rezension:
Im Haus von Bellas Mutter Olga leben Frauen, die Olga nicht ernst nehmen kann. Und die im Gegenzug die bekennende und kämpfende Kommunistin ihrerseits für leicht meschugge zumindest von den Zeiten überholt halten. Seit Jahrzehnten leben die Frauen inzwischen in einem Haus und doch abgegrenzt jede in ihrer Wohnung, die anderen Wohnungen als feindliches Territorium ansehend. Die Gräben zwischen den Frauen stammen noch aus einer Zeit, als es "Rote" und "Braune" in Deutschland gab.
Und ausgerechnet die Nachbarin der roten Olga ist so eine, die noch Adolf Hitlers Bild in ihrem Flur hängen hat. Und ausgerechnet die will die Adresse von Olgas Tochter Bella haben, die Privatdetektivin ist und die herausfinden soll, wo Nachbars Tochter geblieben ist.
Das macht Bella. Auch wenn weder die braune Nachbarin noch die wahrscheinlich politisch kaum anders denkende Tochter nicht unbedingt Bellas Symphatie oder zumindest Interesse erregen. Sie findet es aber spannend, in einen fremden Teil Deutschlands zu kommen, in den nordöstlichen Teil eines Landes, das gerade vom größeren - westlichen - Teil übernommen worden ist.
Bella kommt in ein fremdes Land, das, so anders es ist, so naiv, so rückständig, doch eine gewisse Heimeligkeit ausstrahlt, Ruhe, Einfachheit. Es könnte ein Anfang sein, für die Menschen in diesem Land.
Aber für viele ist es eher das Ende. Bella spürt die Feindseligkeiten, Enttäuschungen, sieht großkotzige Wessis und gegenüber oben autoritätsgläubige und gegenüber unten austeilende Ossis, deren großes Weltbild erschüttert ist und die daher die Ordnung in der Familie, ihre Machtposition gegenüber der Frau, umso höher halten.
Und Bella findet Geschichten, die weit in die Vergangenheit reichen, die die Zeiten der DDR tief unten versteckt in Kellern und hintersten Winkeln von Herzen überdauert haben und die jetzt fast erschrocken hervorkommen: Gefühle etwa.
Oder sprichwörtliche Leichen im Keller, an die eigentlich niemand mehr so recht gedacht hat, und an die jetzt gerührt wird.
Diesen Fehler hatte auch die Tochter der Nachbarin gemacht, als sie in ihre alte Heimat im Osten gefahren war. Sie hat Erinnerungen geweckt und wurde dafür umgebracht. Was aber nicht verhindern konnte, dass die Wahrheit wieder ans Licht kommt. Und die hat was mit Mord zu tun. Und mit der Nazivergangenheit. Und mit Schuld. Aber wenig mit Sühne.

Iris Groschek