Das Buch direkt bei Amazon bestellen Pierre Magnan
Das Zimmer hinter dem Spiegel

Original: Le sang des Atrides
Scherz gebunden
ISBN 3-502-10432-8

Drei Morde scheuchen das schläfrige Provencestädtchen Digne auf.
Alles deutet darauf hin, dass die Opfer mit einer Steinschleuder getötet wurden. Man hat eine merkwürdig kleine Gestalt gesehen beim Steinesuchen an der Bleone und im Wald...
Zwei der Opfer waren Radfahrer, und das dritte, ein Lehrer, konnte vor seinem Tod noch zwei Buchstaben in den Schnee zeichnen: OR...
Kommissar Laviolette, dessen Phantasie vor nichts zurückschreckt, hat einen ungeheuerlichen Verdacht.
Doch was wirklich hinter den Steinschleuder-Morden steckt, versteht er erst, als sein Kollege, der Untersuchungsrichter Chabrand, sich verliebt und sich ein Fahrrad zulegt.

Rezension:
Einen literarischen Krimi hat der mehrfach preisgekrönte Autor Pierre Magnan geschaffen.
Einen, in dem die Worte, der Autor mag den Vergleich verzeihen, wie das rauschende Wasser der Bléone auf ihren blanken Kieselsteinen freundlich über die Seiten springen, dessen Sätze wie das schnell fließende Wasser den Leser mitreißen und ihn durch die Geschehnisse führen.
Spannend, aktuell und erstaunlich frisch mutet dieser Krimi an, bedenkt man, dass er schon vor 24 Jahren geschrieben wurde.
Ein Krimi mit Charakter, mit spannenden Details und lebendigem Geschehen. Die Sprache ist es, die eine Magie ausstrahlt.
Die die Figuren lebendig beschreibt, die kurze, aber nie ermüdende Schilderungen der Örtlichkeiten gibt, die berichtet, ohne langatmig zu werden, die nichts verschweigt, ohne zu viel zu verraten.
Der Kommissar, der das Leiden zum tieferen Sinn des Lebens macht.
Ein geheimnisvoller Steinwerfer in Pelerine, naive Förster, schöne Frauen, mutige Männer.
Und dazwischen ein wenig Systemkritik.
Und eine Aufklärung der Mordfälle, die zum Nachdenken taugt.
Sieht die Gesellschaft manche Dinge noch heute so? Wie schamvoll ist sie und wie moralisch? Ist ein körperlich nicht perfekter Mensch heute mehr wert? In einer Zeit, in der angehende Eltern die Entscheidung über lebenswertes Leben treffen können, in der gefragt wird, ob ein behindertes Kind ein Recht darauf hat, zu leben, regt sich bei so manchem Schlusssatz des Autors Widerstand.
Es ist kein Buch mit einem wie auch immer gearteten Zeigefinger.
Es ist ein beschreibendes und damit sehr stimmungsvolles Buch. Eines, das ganz leicht daher kommt und doch tiefer gehen kann, wenn der Leser es denn will. Wer Unterhaltung sucht, findet es hier in seiner spannendsten Form.
Allein, dass es mehr Bartträger und langhaarige Männer gibt, als heute gemeinhin üblich, könnte dem unwissenden Leser das Datum der Erstausgabe verraten.
Schade, dass die deutschen Krimifans so lange auf eine Übersetzung warten mussten.
Und wie gut, dass sie gewartet haben! Denn dieser kriminalistisch-literarische Roman ist es auf alle Fälle wert, gelesen zu werden.

Iris Groschek