Das Buch direkt bei Amazon bestellen Niklaus Schmid
Bienenfresser

grafit TB
ISBN 3-89425-255-3

Erst eine Auseinandersetzung mit Taubenfreunden, dann der Besuch eines Finanzbeamten - Privatdetektiv Elmar Mogge übernimmt gar nicht ungern den Auftrag seiner Exfrau Verena, ihre verschwundene Freundin Dora Ibiza zu suchen. Das klingt nach leicht verdientem Honorar und vor allem führt ihn die Reise raus aus Deutschland.
Doch die Suche nach der ehemaligen Stewardess gestaltet sich anders, als Mogge sich das vorgestellt hat. Denn unter all den Aussteigern, Tagträumern und Nachteulen, die die Insel bevölkern, gibt es auch Leute, die den Ermittler aus dem Ruhrgebiet von seiner Arbeit abhalten wollen, und zwar mit wenig zimperlichen Mitteln.
Trotzdem erfährt Mogge von einer privaten Fluggesellschaft, die fast in eine Katastrophe verwickelt gewesen wäre: Eine der Chartermaschinen, besetzt mit einem kokainverschnupften Staatssekretär und anderen reiselustigen Beamten vom Mittelmeerausschuss, wäre beim Landeanflug auf Ibiza beinahe abgestürzt.
Was ist damals passiert?
Und warum wurde der Vorfall vertuscht?
Bald muss Mogge erkennen: Jemand im Hintergrund lenkt das Geschehen.
Aber wer und mit welchem Ziel?

Rezension:
Elmar Mogge, Ex-Polizist und seitdem passionierter Privatdetektiv, stets wartend auf den Auftrag, der ihm das große Geld, den großen Ruhm und die Anerkennung bringt, die ihm gebühren würde, muss sich mit kleinen, unspektakulären und wenig rentablen Aufträgen zufrieden geben. Er arbeitet, um zu überleben.
Geschieden von der Ex.Stewardess und jetzt in den Medien tätigen Verena lebt er allein und zurückgezogen in seiner Duisburger Wohnung, die ihm gleichzeitig als Büro dient.
Mogge ist ein Milch- und Mineralwassertrinkender Ex-Alkoholiker, mit einem Hang zu Depressionen und Selbstmitleid, dessen verletzliches und stolzes, aber auch gutmütiges Wesen nur allzu oft sein äußeres unwirsches, barsches und souverän geprägtes Auftreten Lügen straft.
Der Auftrag von Verena, auf Ibiza nach ihrer verschwundenen Freundin und Stewardess Dora zu suchen, bietet Mogge eine Möglichkeit, seinem grauen Alltag zu entfliehen, sich in die bunte, schillernde, freie Welt zu stürzen und ganz nebenbei "richtiges Geld" zu verdienen.
Auf Ibiza begegnen ihm die unterschiedlichsten Personen und Lebensweisen: Der Maler und Lebenskünstler Kapuste, geheimnisvoll mit Verena und Dora verbunden, lebt fern von gesellschaftlichen Zwängen und Verpflichtungen, verkörpert das exakte Gegenstück zu Mogge, der sich als Spielball von Gesellschaft und Staat und des Schicksals überhaupt fühlt.
Dann die Begegnung mit Dora. Ganz anders als die starke, souveräne und ihm oft überlegene Verena ist sie schwach und zerbrechlich. Ihre Verletzbarkeit lässt in Mogge den Beschützerinstinkt erwachen, als er sie schließlich in einer esoterischen Vereinigung mit Sektencharakter findet.
Sein Auftrag ist damit beendet.
Die Frage, ob der schwache Feigling Mogge genug "Mumm" besitzt, um sie zu befreien, möge sich der Leser selbst stellen und durch Lektüre des Buches beantworten!
Bliebe noch die leidenschaftliche Liebesaffäre mit Marie.
Als Ehefrau eines Taubenzüchters aus Duisburg steht sie wiederum für das Fassbare, reale Leben und doch für Heimlichkeit und den Reiz des Verbotenen. Vor allem, nachdem ihr Mann wegen eines Mordes, den er nicht begangen hat, in Untersuchungshaft sitzt und somit "aus dem Weg geräumt ist".
Für Mogge verkörpert Marie eine prickelnde Mischung aus Erotik, purer Lust und Weiblichkeit und erfüllt ihm seine Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Geborgenheit.
Findet Mogge am Ende die Erfüllung für sein Leben?
Auch das wird nicht verraten!
Durch den flüssigen, lebendigen und anschaulichen Schreibstil entsteht beim Leser zunächst eine gemütliche "Bettlektüre-Stimmung": Mogge fliegt nach Ibiza und erfüllt seinen Auftrag, indem er Dora findet.
Fast nebenbei wird er mit Mord, Intrigen, Gewalt, der Macht des Sektenlebens sowie einer Polit-Affaire, aber auch mit Kunst und Erotik, Lebensfreude und landschaftlicher Inselschönheit konfrontiert.
Dieses ständige Wechselspiel von Milieus und Ereignissen erlebt der Leser vor allem durch die steten Veränderungen im Schreibstil, der ganz plötzlich derb, umgangssprachlich und an manchen Stellen beinahe vulgär wird. Dies dient jedoch dazu, die Spannung des Romans aufrecht zu erhalten, ja sie sogar immer weiter ansteigen zu lassen, und somit ein Weiterlesen zur zwingenden Notwendigkeit zu machen.
Insgesamt ein Krimi der "leichteren Art", der dem Leser mit Sicherheit keine schlaflosen Nächte voller Grauen bereitet. Nicht fesselnd, aber dennoch anziehend und trotz einiger konstruiert wirkender Passagen unterhaltsam und lesenswert.
Und als kleines Extra erweitert Autor Schmid elegant die zoologischen Kenntnisse seiner Leser - ist doch ein "Bienenfresser", nichts anderes als ein schöner Vogel, der die nützliche, ungefährliche Biene zu seiner Beute erkoren hat. Er fängt das Insekt, schlägt es so lange gegen einen Ast, bis es wehrlos ist und nicht mehr stechen kann, um es anschließend genüsslich zu verzehren.
Der Bogen ist schnell geschlagen, denn wie der Biene scheint es der einen oder anderen Figur in diesem Buch zu ergehen - allerdings mit der Variante, dass es diesen dann doch gelingt, ihren Stachel im entscheidenden Moment zum Einsatz zu bringen ...

Eva May

***

Wenn hierzulande einer einen Privatschnüfflerroman schreibt, dann ergeht sich die Kritik (oder die, die sich dafür hält) in pawlowscher Reflexhaftigkeit in Vergleichen mit Chandler und Marlowe - meist zu Unrecht und immer völlig falsch, denn was sollen wir mit einem deutschen Marlowe?
Mal ganz davon abgesehen, dass es dazu eines deutschen Chandler bedürfte.
Für Elmar Mogge von Niklaus Schmid braucht man den Vergleich gar nicht erst zu bemühen, weil Mogge aus dem urdeutschen Reihenhausambiente von Duisburg-Walsum geschöpft ist und seine Fluchtpunkte - ebenfalls urdeutsch - Ibiza und Formentera sind.
Hier wie dort kennt sich Niklaus Schmid aus, was dem Roman eine sehr sympathische Erdung verschafft, die Milieus atmen nicht elaborierten Recherche-Staub, sondern das pralle Leben der genauen Beobachtung.
Womit sonst als mit einem scheinbar kaltblütigen Mord an einem Taubenvater sollte sich ein Ruhrgebiets-Detektiv beschäftigen - ein augenzwinkernder Auftakt, der Mogge in eine Wohnküchen-Romanze mit der Gattin des Hauptverdächtigen treibt, an der er sich bis zum bitteren Ende abarbeitet.
Dazu kommen Subventionsschiebereien und Korruption in der Landesregierung - in was sonst sollte der ehemalige Bulle und trockene Alkoholiker noch geraten - schließlich spielt die Geschichte in Deutschland.
Für seine Ex-Gattin Verena soll Mogge auf Ibiza eine verschollene Freundin finden. Ein Auftrag, wie gemacht um die Steuerforderung des smarten Finanzamtsmenschen zu befriedigen, der Mogge unversehens heimsucht. Ein Auftrag aber auch wie gemacht, um in Schwierigkeiten zu geraten mit den "Bienenfressern", die sich auf der Urlaubsinsel herumtreiben - Gangster der großen und der kleinen Sorte, Taugenichtse und Lebenskünstler, die sich mit ihren Schiebereien und Lebenslügen eingerichtet haben und nebenbei das alte Hippie-Flair das Aussteiger-Eilands gegen die übermächtige Partykultur verteidigen.
All das bekommt Elmar Mogge zu sehen, als er Fragen stellt, die er nicht stellen sollte. Die Verschwundene ist schnell gefunden, und mit ihr Hinweise auf einen kokainverschnupften Staatssekretär, dem wohl einiges daran liegt, dass die Details seiner Ibizia-Tripps nicht bekannt werden.
Mogge ist kein Marlowe, will es nicht sein, und das ist neben den treffenden Milieus die zweite Stärke dieses kleinen Romans: Mogge lebt aus sich heraus, weil sich hier jemand die Arbeit gemacht hat, eine Figur selbst zu erfinden, statt sie aus amerikanischen Paperbacks abzupausen.
Mogge, den man sich gut vorstellen kann als der Typ in der Nachbarwohnung (wovon lebt der eigentlich?), der Typ, der seinen Job nicht immer gut, aber doch immer redlich macht - was am Ende auch ziemlich viel Frust für ihn bedeutet.
Denn Mogge ist kein Held, der mit der 38er für Gerechtigkeit sorgt, sondern nur einer, der irgendwann mitkriegt, dass da jemand am großen Rad gedreht hat - und er selber nur ein kleines Rädchen gewesen ist.

Reinhard Jahn