Das Buch direkt bei Amazon bestellen Egbert Osterwald
Schneeschmelze

Bastei Lübbe TB
ISBN 3-404-14575-5

Kriminalhauptkommissar Gehoff ist wegen eines tätlichen Übergriffs von der Drogenfahndung strafversetzt worden. Seine drogenabhängige Tochter hat vor einem Jahr ihrem Leben ein Ende gesetzt, seine Ehe droht zu scheitern, er selbst trinkt zu viel.
Enttäuscht über die Unfähigkeit der Behörden schließt er sich einer geheimen Gruppe an, die - nach dem Vorbild südamerikanischer Todesschwadronen - nachts mutmaßliche Drogendealer festnimmt, verhört und gegebenenfalls hinrichtet.
Als Gehoff während des Dienstes den Tod eines Obdachlosen aufklären soll, stößt er auf Hinweise, dass es sich bei dem Toten um ein hochrangiges Mitglied eines Drogenkartells handelt.
Wollte der Mann aussteigen, oder hat ihn die Konkurrenz beseitigt?
Zu spät erkennt Gehoff, dass der Fall sehr viel komplizierter ist - und die Ermittlungen in eine Richtung führen, die für ihn selbst lebensgefährlich werden kann ..

Rezension:
Kriminalkommissar Gehoff fühlt sich privat und beruflich gescheitert: Nach dem Drogentod seiner einzigen Tochter hat er seinen Job bei der Drogenfahndung verloren (er hatte einen Dealer misshandelt), seine Frau scheint ihn verlassen zu wollen - und er vegetiert in der Mordkommission vor sich hin, die seinen Interessen überhaupt nicht entspricht. Zunehmend desillusioniert und deprimiert sieht er keinen Sinn mehr in seiner Arbeit.
Der Tod eines Obdachlosen scheint nur ein weiterer unbedeutender Fall zu sein, den er mit seinem Kollegen Murat Ceylan bearbeiten muss.
Ihre Recherchen sowie die Arbeit des Journalisten Hans Platen weisen jedoch bald darauf hin, dass es hier um Drogenhandel im großen Stil geht. Auch mehren sich die Hinweise darauf, dass sich hinter diesem Mord noch weit bedeutendere Geheimnisse verbergen.
Kommissar Gehoff wird mit der Frage nach seiner eigenen Integrität und Moral konfrontiert - und gerät selber in Gefahr.
Die Frage nach dem Wert eines Menschenlebens, die sich in diesem Roman mehrfach stellt, wird zu oberflächlich abgehandelt, es fehlt ein klares moralisches Bekenntnis, obwohl sich der Autor dieses Ziel gesetzt zu haben scheint.
Ein Unterhaltungsroman mit einigen Längen und trotz des Anspruchs nicht ausreichendem Tiefgang.

June

***

Good old Francis Durbridge meets James Ellroy.
Kann das gut gehen?
Nicht ganz, aber für deutsche Verhältnisse doch recht passabel. Da wird gleich zu Anfang mächtig an der Spannungsschraube gedreht: Eine mysteriöse Leiche (viel zu gute Zähne für einen Obdachlosen!) unter einer Hannoveraner Autobahnbrücke, ein piefiger kleiner Journalist, der sich für Woodward und Bernstein gleichzeitig hält und ein kaputter Kripomensch, der sich in bemerkenswerter Naivität von einem polizeiinternen Todesschwadron anheuern lässt, das ratzfatz kurzen Prozess mit den Dealern der mittleren Ebene macht und sie spurlos entsorgt: "Gut, dass es Beton ist!".
Der Mord an dem scheinbar so gewöhnlichen Obdachlosen bringt Kommissar Gehoff und den Journalisten Hans Platen zu Firma und Familie von Hans-Michael Richter, einem - Durbridge lässt grüßen - mysteriösen Geschäftsmann mit einem Ferienhaus hier und einer Yacht da und einer ebenfalls sehr mysteriösen Geliebten namens Isabella Cortez.
Das klingt nicht nur spanisch, sondern führt auch erstmal zu mysteriösen Deals in Bogotá und dann wieder zurück nach Hannover, mitten ins Herz des Bösen, zu den Killer-Cops, mit denen sich Kommissar Gehoff unvorsichtigerweise eingelassen hat.
Gewissensbisse bleiben da nicht aus, aber wer eine jetzt eine düstere Bullenstudie über Gesetz und Gewalt im Stil von James Ellroy erwartet, kommt nicht auf seine Kosten. Dann als ob das alles noch nicht reichte, verstrickt sich Journalist Platen auf den letzten Metern noch bei der Suche nach den endgültigen Beweisen in einen Internet- und High-Tech-Thriller, in dem wir allerlei interessantes (wenn auch nicht immer wirklich nachvollziehbares) über die geheimen Tricks von Homepage-Programmierern und Passwortknackern erfahren.
So ist die "Schneeschmelze" also traditionell und modern zugleich und Egbert Osterwald erweist sich als ein Autor, der sich in den Mustern von mehr als einem Subgenre des Kriminalromans auskennt.
Und damit hat er einigen anderen etwas voraus.

Reinhard Jahn

 

Gastrezension(en):


Name: a.nicolas
Email: a.nicolas@gmx.de
Datum: 12.1.2002 (9:36)

Ich halte Schneeschmelze für einenglänzenden deutschen Thriller er ist spannend, sprachklich z. T. glänzend, jedenfalls um Längen besser als etliche amerikanische Bestseller. Die Spannungsbögen werden geschickt gesetzt. Die Handlung birgt eine Reihe von unerwarteten Wendungen. Der Roman bleibt bis zum Schluss überraschend. Das Ende verblüfft, kommt allerdings der Realität (leider) vermutlich recht nahe. Von einem Thriller Antwort auf die Fragen der Welt zu erwarten, wie in der Rezension von June offenbar angesprochen, halte ich für abwegig. A. Nicolas