Das Buch direkt bei Amazon bestellen Hansjörg Schneider
Das Paar im Kahn

Bastei Lübbe TB
ISBN 3-404-14583-6

Eine junge Türkin, Aische Aydin, wird ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden - mit zerschlagenem Gesicht. Ihr Ehemann Ali wird unter dringendem Tatverdacht in Untersuchungshaft genommen, wenige Stunden später erhängt er sich in der Zelle.
Für die Staatsanwaltschaft ist damit der Fall abgeschlossen, die Ermittlungen werden eingestellt. Doch Kommissär Hunkeler mag an eine so einfache Lösung des Falles nicht glauben und recherchiert auf eigene Faust weiter.
Wo liegt das Motiv für diesen grausamen Tod im Basler St. Johann-Quartier?
War es ein Mord der türkischen Mafia oder ist das Motiv tatsächlich Eifersucht und Ehre?

Rezension:
Ein Kommissar, der kurz vor der Pension, hartnäckig an der Aufklärung eines Mordes an einer türkischen Frau festhält, obwohl er gar nichts mit dem Fall zu tun hat.
Hundert Mal schon da gewesen, denken Sie?
Sie, die Sie gerne literarische Krimis bevorzugen.
Hansjörg Schneider ist Schweizer, sagt in einer ruhigen, gewählten Sprache mit wenigen Worten viel. (Zitat S. 7:) Frauen, dachte Hunkeler, sind seltsame Wesen. Aber warum bringt jemand eine Frau um?
Das Buch ist luftig gesetzt, es wird nicht geschwafelt, liest sich angenehm spannend und leicht.
Dieser dritte Fall des Kommissars Hunkeler ist ausschließlich aus dessen Sicht erzählt, mit einigen falschen Fährten.
Warum wurde der Frau das Gesicht zerschmettert?
Ein Auftragskiller macht das nicht.
Geht es um Rechtsradikalismus im gemütlichen Städtchen Basel oder die türkische Drogenmafia in der cleanex-reinen Schweiz?
Das Paar im Kahn, ein schönes Medaillon, das die Tote um den Hals hatte, was hat es für eine Bedeutung?
Kommissar Hunkeler löst den Fall so: (Zitat S. 220) Er frühstückte ausgiebig. Eier und Speck, eine geräucherte Forelle, zwei Joghurts, zwei Kannen Tee...
Wenn Sie Dürrenmatt, Glauser oder Mankell mögen, dann wird auch Hansjörg Schneider bald zur Riege Ihrer Lieblingsautoren zählen.

K. Ara

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Kommissar Maigret zu mögen ist einfach, Kommissär Hunkeler macht es uns da nicht ganz so leicht - bis man ihn schätzen lernt, vergeht einige Zeit.
Denn wo Maigret sich in den Milieus treiben lässt, unaufdringlich beobachtet und Stimmungen, Menschen und Ambiente für den Leser fokussiert, sperrt sich Hansjörg Schneiders Polizist mit einer vielleicht typisch schweizerischen Misanthropie gegen die Vereinnahmung.
Hunkeler will nicht nett sein, Hunkeler trotzt gegen Vorgesetzte und Kollegen, verrennt sich in eine scheinbar unwesentliche Beobachtung und nimmt jeden neuen Tag als persönliche Herausforderung an - mit dem unguten Gefühl, dass es vielleicht noch ein bisschen schlimmer kommen könnte als gestern.
Womit er meistens Recht behält - denn der Fall, den er anfangs noch zu haben glaubt, zerfasert mit jedem Gespräch, das er in den Kneipen des Quartiers führt, immer mehr, so dass es auch niemanden mehr überrascht, wenn die Lösung des Mordfalles fast beiläufig erscheint: als Schlusspunkt einer Reihe von Charakterstudien, die Schneider lose auf den Faden des Kriminalfalles aufgefädelt hat - Ansichten aus dem Innenleben der Schweiz.

Reinhard Jahn