Stanley Pottinger
Blinde Erinnerung
Original: A Slow Burning
Glücklich und zufrieden müsste der junge New Yorker Detective Nat Hennessy sein, der kurz vor seiner Hochzeit mit der faszinierenden Restauratorin Camilla Bissonette steht.
Rezension:
June
Blanvalet TB
ISBN 3-442-35513-3
Doch stattdessen hadert er mit dem Schicksal. Denn vor zwanzig Jahren musste er mit ansehen, wie sein Vater ermordete wurde - offensichtlich von einem Psychopathen, den man jedoch nie fassen konnte.
Seitdem wartet Nat erbittert auf jede noch so kleine Chance zur Rache. Als eine Routineermittlung ihm plötzlich diese Chance bietet, ergreift er sie, auch wenn er dadurch sich selbst und die Frau, die er liebt, in höchste Gefahr bringt.
Auch Dr. Cush Walker lebt mit schrecklichen Kindheitserinnerungen: Sein Vater wurde vor seinen Augen vom Ku-Klux-Klan gelyncht. Inzwischen hat er sein Leben der Neurochirurgie gewidmet, ein Gebiet, in dem er streng geheime Forschungen durchführt und auf einen sensationellen Durchbruch zusteuert.
Die Ereignisse überschlagen sich, als Camilla bei Nat Hennessys Ermittlungen von einem Heckenschützen in den Kopf getroffen wird - und sie klinisch tot bei Cush eingeliefert wird.
Denn Cush Walker hat diese Frau vor langer Zeit selbst einmal geliebt und ihre Trennung nie überwunden. Allein in seinem Ermessen liegt es nun, eine waghalsige Operation zu wagen - wenn er seine ethischen und medizinischen Grenzen überwindet.
Und wenn er Nat trauen kann...
Ein schwarzer Junge, der den Lynchmord des Ku-Klux-Klan an seinem Vater beobachtet. Er wird später ein brillanter Arzt und Wissenschaftler.
Ein weißer Junge, der den Mord an seinem Vater durch einen Schwarzen mit ansehen muss. Er wird später Polizist.
Beide tragen in sich einen unstillbaren Rassenhass, beide versuchen auf ihre Art, diesen zu verbergen und zu sublimieren, beide gehen auf ihre Weise gegen Missstände in der Gesellschaft vor. Und beide lieben die selbe Frau.
Der weiße Polizist Nat Hennessy macht den Mörder seines Vaters ausfindig, er verlässt die Legalität, um sich an ihm zu rächen. Seine Verlobte Camilla Bissonette wird dabei lebensgefährlich verletzt, nur die Gehirnforschungsergebnisse des Arztes und ehemaligen Geliebten von Camilla, Dr. Cush Walker, könnten auf risikoreiche Weise ihr Leben retten.
Der Hass, den die Männer gegeneinander empfinden, der Hass, den sie gegen die Mörder ihrer Väter empfinden, und der Hass eines psychopathischen Killers, der auf unvorstellbar grausame Weise Vergnügen am Foltern und Töten seiner Opfer empfindet, durchzieht den Roman.
Die Beschreibung medizinischer Forschung am Gehirn ist spannend und gut verständlich dargelegt, die Grenzen zur Science Fiction sind hier fließend. Auch die damit verbundenen ethischen Fragen werden thematisiert, der Autor gibt ein eindeutiges Bekenntnis dazu ab, alles zu tun, was möglich ist, um einen geliebten Menschen zu retten, auch wenn es ethisch bedenklich erscheint. Dass dabei buchstäblich über Leichen gegangen werden muss, wird zwar mehr als angerissen, in der letzten Konsequenz und gesamtgesellschaftlichen Bedeutung jedoch nicht ausformuliert.
Die grausame Detailgenauigkeit, mit der Folterszenen und Morde geschildert werden, wirkt teilweise effekthaschend und wäre für die Handlung nicht notwendig - gleichzeitig dient sie aber dazu, die Auswirkungen des Hasses, der das Buch wie ein roter Faden durchzieht, emotional auch für den Leser fühlbar zu machen.
Insgesamt ein Plädoyer für Menschlichkeit und gegen Rassenhass; der Roman greift gesellschaftlich aktuelle ethisch-medizinische Fragen auf und bezieht Stellung dazu.
Sehr spannend, gut geschrieben, und insgesamt empfehlenswert.