Das Buch direkt bei Amazon bestellen Paul Townend
Eigerjagd

Original: The Man On The End of The Rope
AS gebunden
ISBN 3-905111-66-7

Paddy Chipperfield ist Profi.
Seine Nase für gute Geschichten hat ihn noch nie getäuscht und ihn schließlich zum Starreporter der Boulevardpresse gemacht. Deshalb ist er sicher, dass der Mann, der das Bahnhofslokal in Interlaken vor ihm verlassen hat, Wendelin Mendoza ist, der Liebling der Sensationspresse.
Chipperfields Jagdinstinkte sind geweckt. Er folgt Mendoza bis nach Grindelwald. Als am nächsten Tag zwei Bergsteiger zur Eigennordwand aufbrechen, ist er überzeugt, dass Mendoza mit einem Bergführer die berüchtigte Wand durchsteigen will.
Skrupellos und rnit allen Mitteln bleibt er an der Geschichte dran. Selbst dann, als einer der beiden Bergsteiger 600 m vor dem Gipfel abstürzt und schwer verletzt über einem Felsvorsprung hängen bleibt, denkt Chipperfield nur an seine exklusive Bildstory und wie er sie am besten verkaufen kann.
Dabei ist gar nicht sicher, ob es sich bei dem Verunglückten tatsächlich um den prominenten Baron handelt....
Nach einer hoch riskanten Rettungsaktion kommt es zum dramatischen Finale.

Eigerjagd ist die Erstübersetzung des bereits 1960 erschienen Kriminalromans "The Man on the End of the Rope".
Die Geschichte basiert auf dem Corti-Longhi-Drama, als 1957 zwei Bergsteiger an der Eigernordwand verunglückten und die Rettungsaktion die Massen in Atem hielt.
Paul Townend hat die Ereignisse zu einem packenden Thriller verarbeitet, der seine Leser über 300 Seiten bis zum überraschenden Showdown in Atem hält.
Inzwischen sind über 40 Jahre vergangen. Trotzdem hat das Buch nichts von seiner Aktualität eingebüsst. Denn mehr denn je greifen die Medien nach allen Mitteln und Wegen, um die Gier nach Geld und Sensationen zu befriedigen und Auflagen und Quoten nach oben zu treiben.

Rezension:
Wie spannend kann ein vierzig Jahre alter Thriller sein, in dem ein Großteil der Errungenschaften moderner Technik nicht einmal ansatzweise zum Einsatz kommen?
Spannend.
Sehr spannend.
Atemberaubend.

Selbst wenn - und das mag in den Augen des deutschen Lesers das einzige Manko dieses hervorragenden Romans sein - die Übersetzung ebenfalls recht antiquiert anmutet; gleich auf der ersten Seite ist der Protagonist hässig (genervt?) , dann kommen die Redaktoren einer Zeitschrift ins Spiel, und besonders schön ist auch die Hühnerhaut (in Deutschland den Gänsen vorbehalten). Bis, ja bis er sich vergegenwärtigt, dass es ein Schweizer Verlag ist, der sich entschlossen hat, dieses beeindruckende Bergdrama erstmalig in deutscher Übersetzung zu präsentieren und da ist es eben eine schweizerdeutsche geworden.
Aber worin liegt die Faszination dieses Buches, in dem zwar mehrere Menschen zu Tode kommen - im Grunde aber nur ein, vom Autor lediglich angedeuteter, Mordversuch, sowie der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung die Erwartungshaltung des durchschnittlichen Liebhabers von Spannungsliteratur bedient?

Einerseits ist es sicherlich das Tempo, in dem die Handlung ihren Lauf nimmt. Ziemlich schnell ist klar, dass hier gnadenlos mit harten Bandagen gekämpft wird.
Der, ausgesprochen unsympathische aber umso erfolgreichere, Chipperfield will seinen Jahrhundert-Scoop.
Sein, wesentlich seriöserer und daher dem Leser schon bald viel näherer, Kollege und Gegenspieler John Bellman hingegen sucht vor allem nach der Wahrheit - und nach der Balance zwischen Menschlichkeit und Informationspflicht.
Für die Leute im Hotel geht es erst ums Überleben, dann ums nackte Leben und schließlich ums Geld.
Die Bergsteiger - egal ob Verunglückte oder Retter - haben das Wetter gegen sich.
Und über allem thront SIE - die unerbittliche Eiger-Nordwand.

Andererseits sind auch die Charaktere so sauber ausgearbeitet, dass man sich der Faszination nicht entziehen kann, die von dem ausgeht, was sie tun. So steht der gequälte Seufzer, wenn der "Schweinejournalist" Paddy wieder ein As aus dem Ärmel zieht, neben der leisen Schadenfreude, wenn Claire, das Mädchen aus dem Hotel, zusammen mit dem "redlichen" Reporter John wider Erwarten doch einmal gegen ihn punkten kann.

Aber auch die spektakulären Aktionen, die unternommen werden, um den "Man on The End of The Rope" (wie der Originaltitel lautet) in Sicherheit zu bringen, sind ungemein faszinierend - selbst für einen der Bergsteigerei komplett unkundigen Leser.

Alle diese Elemente vereinigen sich zu einem packenden Roman, bei dem man gebannt verfolgt, welche Schurkerei sich der "Fackelträger der Wahrheit" (Chipperfields Kampfname) nun wieder ausgedacht hat, um die Animositäten zwischen den handelnden Parteien zu schüren und so die eigene Position zu stärken.
Und selbst wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass alles nur Fiktion ist, so hat der Gedanke an vergleichbare Unglücke in der jüngeren Vergangenheit angesichts der überwältigenden Medienpräsenz doch einen schalen Beigeschmack.
Das Ende ist ungemein dramatisch - wenngleich ein "Showdown" im klassischen Sinn oder auch ein aufsehenerregender Gerichtsprozess den Leser vielleicht etwas befriedigter aus der Lektüre entlassen hätte.

Alles in allem jedoch macht es recht nachdenklich, was sich Townend, u.a. Ghostwriter von Francis Durbridge, da ausgedacht hat; und die Spur eines Zweifels bleibt, ob ein Journalist skrupellos genug sein könnte, um so zu handeln wie der Protagonist dieses Thrillers.
Wollen wir mal hoffen, dass nicht - selbst wenn er zur Regenbogenpresse gehörte, jenen bunten Blättern, wie sie im Buch zitiert werden: Paris-Match, Time, Life, Oggi, Revue, Quick.
Zumal manche der genannten schon längst den Status verloren haben, den sie Anfang der Sechziger hatten und es einige davon seit geraumer Zeit nicht mehr gibt ...

Miss Sophie