Phoebe Atwood Taylor
Zu den Akten
Originaltitel: File for Record.
Im Jahr 1942 ist jeder einigermaßen wehrfähige Mann Neuenglands eingezogen.
Rezension:
Kathrin Hanik
(6. Band Leonidas Witherall Serie)
Dumont TB
ISBN 3-7701-5614-5
Leonidas Witherall springt ein, wo er kann und kommt bald zu Amt und Würden.
Nach einer Vorstandssitzung von Haymakers Warenhaus will er sich aus dem dortigen Fundbüro einen Regenschirm besorgen, als er niedergeschlagen wird. Beim Erwachen findet er sich auf einem Pferdewagen wieder. Geht man so mit neuen Vorstandsmitgliedern um?
Doch Haymaker, bei dem sich Witherall beschweren will, findet er tot mit einem Samuraischwert in der Brust.
Wieder einmal muss Witherall in der Doppelrolle als Detektiv und Hauptverdächtigter die kuriosesten Komplizen um sich scharen.
Leonidas Witherall, der liebenswürdige ältere Herr, der Shakespeare zum Verwechseln ähnlich sieht, ist der Held aus Phoebe Atwood Taylor achtbändiger Krimiserie.
Band sechs (dem bis 2001 letzten auf deutsch vorliegenden Buch) spielt im Jahre 1942 in der Kleinstadt Dalton in Neuengland. Da alle wehrfähigen Männer im Krieg sind, muss Leonidas Witherall immer mehr Ämter in verschiedenen Komitees übernehmen, obwohl er solche Versammlungen hasst.
Eines dieser Ämter, ein Direktorenposten in der Firma Haymaker, einer Kaufhauskette, bringt ihn schon bald wieder in eine dieser Zwickmühlen, an die der Leser aus den vorherigen Bänden schon gewöhnt ist.
Er wird wieder einmal niedergeschlagen und entdeckt, nachdem er endlich nach Hause gekommen ist, den toten Mr. Haymaker in seinem Wohnzimmer, dessen Uhr zu allem Übel auch noch genau einen Zeitpunkt anzeigt, in dem Witherall nicht beweisen kann, wo er war, weil er noch bewusstlos in einem großen Brotkorb steckte.
Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf, denn Witherall muss beweisen, dass nicht er der Mörder ist, wobei ihm u.a. eine blonde Ölfrau im Nerzmantel, die Exverlobte des Toten, eine Lady Baltimore-Torte, ein Löwenkopf und viele weitere Menschen und Dinge helfen, die alle aufzuzählen unmöglich wäre...
Wenn Sie jetzt leicht verwirrt sind und sich fragen, was z.B. eine Torte mit dem Mord an Mr. Haymaker zu tun hat, dann ist das nichts Ungewöhnliches, denn in Phoebe Atwood Taylor Kriminalkomödien passieren grundsätzlich immer eine Menge absolut skurriler und seltsamer Dinge, so dass sich selbst die Figuren wie katapultiert in einen "Film vorkommen, den sie erst ab der Mitte gesehen haben und nun die Handlung nicht verstehen können" oder sie vergleichen das Geschehen mit einer Folge der "Lieutenant Haseltine", einer überaus populären Heft- und Radioserie, deren Held immer wieder in scheinbar ausweglose Situationen gerät, aus denen er sich aber immer wieder befreien kann, dank der Eingebungen, die ihn immer wieder erreichen, wenn er an "Cannae" denkt.
"Cannae", wie Ihnen auch Leonidas Witherall ausführlich erzählen kann, der zufälligerweise ;-))) der Autor der "Lieutenant Haseltine"-Geschichten ist, "ist die historische Schlacht zwischen Römern und Kathargern (216 v. Chr.), in der die kleine, schwache Armee Hannibals die bei weitem überlegene Streitmacht von 85000 römischen Legionären in Stücke schlug, indem sie den Feind mittels einer kunstvollen strategischen Konzentration der Truppen mit der Kavallerie von der Flanke aus angriff und ihn dann einkesselte. Die Preußen Clausewitz und Schlieffen ... entwickelten daraus ein exaktes strategisches System."
So denkt also auch Leonidas Witherall ca. 30 Seiten vor dem Ende des Buches an Cannae und nun plötzlich passen alle die scheinbar so nebensächlichen und unwichtigen Details exakt in das Puzzle, das den Täter entlarvt.
Wenn Sie sich also bis dahin gedulden, werden alle Ihre Fragen genau beantwortet und Sie merken, dass alles ein logisch durchdachter Fall ist, bei dem sämtliche Teile der Geschichte genau zusammenpassen.
Und dann können Sie das ganze Buch noch mal von vorne lesen und endlich bei all den Absonderlichkeiten, die Sie vorher so verwirrt haben wissend nicken und denken (oder gar sagen) "Ja ja, nachher wird er XY noch gut gebrauchen können" und damit ihren Mitmenschen den letzten Nerv rauben ;-)))).
Phoebe Atwood Taylors 6. Band der Leonidas-Witherall-Serie ist ein Genuss für jeden, der nichts gegen eine intelligente Story und jede Menge skurriler Figuren hat und sich mal wieder richtig amüsieren will.