Das Buch direkt bei Amazon bestellen Linda Davies
Die Löwengrube

Original: Something Wild
Ullstein gebunden
ISBN 3-550-08338-6

Sarah Jensen, freie Ermittlerin und eine der besten Devisenhändlerinnen in Londons City, hat sich nach dem schweren Unfall ihres Bruders Alex eine zweimonatige Auszeit von ihrem Job genommen, um in Wyoming in der Nähe ihres Bruders zu bleiben.
Dort in den Bergen lernt sie John Redford kennen, den weltberühmten Rocksänger, und verliebt sich in ihn. Ihre kurze Affäre bleibt nicht folgenlos und wird das Leben von Sarah für immer auf den Kopf stellen, denn nach neun Monaten kommt Georgie zur Welt, ein goldiger Junge, von dessen Existenz John aber nichts erfährt, da sich ihrer beider Wege in Wyoming getrennt hatten.
Kurze Zeit darauf kehrt Sarah in die Finanzwelt zurück John Savage, der Vorstandsvorsitzende der Bank Goldsteins hat einen interessanten Auftrag für sie: Der Rocksänger John Redford möchte seine Plattenbestände verbriefen lassen, doch bei Goldsteins möchte man erst Redfords Vertrauenswürdigkeit überprüfen, bevor sie den Rockstar als Kunden akzeptieren.
Sarah kann diesen Zufall kaum fassen, nimmt den Auftrag aber an und begleitet ihn auf einer Tournee bis nach Europa. Die alte Leidenschaft entflammt erneut bis John schlimme Drohbriefe erhält und ein böser Verdacht auf ihn fällt ...

Rezension:
Ein mit einer Liebesgeschichte verquickter Thriller, dessen Protagonistin zuallererst das Problem lösen muss, wie sie ihren Sohn am schnellsten abstillt, bevor sie sämtliche bösen Buben zur Strecke bringt - wer sollte das lesen wollen?
Nun, jeder, der Spaß hat an gut gemachter und außerordentlich spannender Unterhaltung, die sich allerdings ein wenig abseits ausgetretener Action-Pfade bewegt - wenngleich die Beteiligten zum Ende hin auch hier handgreiflich werden.
Zudem wird der Roman all jene interessieren, die immer schon mal einen Blick hinter die Kulissen des Börsenparketts UND des Musikgeschäfts werfen wollten (oder wussten Sie, wer alles in welcher Höhe an den 30 Mark partizipiert, die Sie im Schnitt für eine CD ausgeben?).
Und schließlich wird die Heldin Sarah Jensen das Herz jener Leserinnen im Sturm gewinnen, denen die Pfunde zu viel auf den Hüften und der Gefühlswirrwarr bei der ersten endgültigen Ablösung von Mutter und Säugling, wie sie unweigerlich stattfindet, wenn letzterer zur Nahrungsaufnahme nicht mehr auf seine Mutter angewiesen ist, nur zu vertraut vorkommen - auch wenn sie selbst vielleicht bei ihrer ersten Tätigkeit nach der Entbindung keine Tagesgagen von 15.000 Mark in Rechnung stellen können; sich andererseits auch in den allermeisten Fällen NICHT mit Morddrohungen herumschlagen müssen.
Schon bei ihrem Erstling "Das Schlangennest" (in dem Devisenhändlerin Sarah Jensen ebenfalls im Mittelpunkt stand) hat Ex-Brokerin Linda Davies bewiesen, dass es durchaus möglich ist, auch das in Börsengeschäften nicht bewanderte Publikum mit einem Thriller, der seinen Ausgangspunkt in der schönen bunten Finanzwelt hat, zu fesseln.
Fast nebenbei werden so die Voraussetzungen und Vorgänge einer "Rockstar-Verbriefung" erläutert, d.h. einer Art Vorschuss an einen Künstler auf der Basis seiner geschätzten künftigen Absatzzahlen und der damit verbundenen Einnahmen während einer bestimmten Laufzeit. Dieser "Kredit" wird finanziert durch eine Wertpapieremission - und wie bei jeder Anlage spielt das Renommee des "Produkts" für die Käufer der Bonds eine ganz entscheidende Rolle.
Unschwer zu erkennen, dass hier alles, was den guten Ruf des Musikers beeinträchtigt, unmittelbare und unerwünschte finanzielle Folgen hat.
Wodurch sich automatisch die Notwendigkeit ergibt, die besten Ermittler auf mögliche Leichen im Keller anzusetzen, was wiederum den Kreis schließt und die Hauptfigur Sarah zum Einsatz bringt.
Wie sie den Spagat schafft, zwischen ihrem alles andere als gewöhnlichen Beruf und dem Leben mit ihrem Kind, von dem niemand etwas erfahren soll, wie sie ihre Unsicherheiten und Zweifel überwindet und zu einer völlig neuen Sicht auf die Grundhaltung ihrer Ex-Kollegen findet und wie es ihr gelingt, bei alledem nicht auf Business-Klamotten in Übergröße zurückgreifen zu müssen, das hat viel von einem modernen Märchen. Allerdings von der Art, wie sie stressgeplagte Menschen in unterbezahlten, wenig aufregenden Jobs nicht oft genug hören können.
Ein Übriges tut hierzu die Gabe der Wahl-Peruanerin Davies, die verschiedensten Ambiente so lebensecht zu darzustellen, dass der Leser förmlich in die jeweilige Atmosphäre eintaucht und sich fühlt, als wäre er selbst Teil der Menge. Ganz egal, ob es sich dabei um den tobenden Lärm eines Börsensaals mit vierhundert Händlern handelt oder um die atemlose Stille bei der Zugabe eines Rockkonzerts vor fünfzigtausend Menschen.
Was schadet es da, dass die tatsächlich greifbare Bedrohung von Leib und Leben erst auf Seite 223 zutage tritt? Danach allerdings geht es rund und es scheint, als wären all die detailreichen Schilderungen davor einzig und allein darauf ausgerichtet, den Leser in höchstem Maße für die nun folgende atemlose Verfolgungsjagd zu sensibilisieren.
Fazit: Knapp 450 Seiten, die es in jeglicher Hinsicht in sich haben und eine Autorin, die man sich unbedingt merken sollten - falls man das nicht nach der Lektüre einer der drei Vorgängerromane sowieso getan hat.

Miss Sophie