Das Buch direkt bei Amazon bestellen Chantal Pelletier
Der Bocksgesang

Original: Le chant du bouc
Distel Literaturverlag TB
ISBN 3-923208-53-7

In inniger Umarmung findet man im Moulin Rouge den homosexuellen Tänzer Manfred und die angehende Garderobiere Elsa tot auf - in flagranti ermordet?
Kommissar Maurice Laice, der auch diesmal wieder privat in den Fall hineingezogen wird, ermittelt zunächst im Kreis der engsten Freunde des ungewöhnlichen Paares. Seine Spur führt ihn nach Korsika, wo er wiederum Hinweise auf Pariser Machenschaften erhält.
Nach dem altbewährten Motto "More is less" - gemäß der Klangfolge seines Namens - lässt er nicht locker, bevor er weiß, was hinter den Kulissen des weltberühmten Moulin Rouge vertuscht wird.

Der Krimi wurde mit dem Grand Prix du Roman Noir francais ausgezeichnet.

Rezension:
Hauptfiguren:

* Maurice Laice: Kommissar; 40 Jahre alt; Vater ist vor kurzem gestorben; lebte sieben Jahre in der Normandie "im Exil"; verlor seine Verlobte bei einem Unfall, den er überlebte; depressiv
* Aline Lefèvre: Hauptkommissarin, Laices Vorgesetzte; 36 Jahre; schwungvoll bis dominant; lesbisch
* Caty: neue Sekretärin Laices
* Boualem: algerischer Flüchtling; Bistrobesitzer von Laices Lieblingslokal; ausgezeichneter Koch und Weinkenner
* Rémy: Schulfreund Laices
* Malinka: Rémys Frau; Algerierin
* Manfred Godalier: Solotänzer im "Moulin Rouge"; 29 Jahre; ermordet
* Elsa Supini: eine Verehrerin Manfreds; 21 Jahre; Korsin; ermordet
* Anna Michel: Manfreds Mutter; Glasbläserin

Der anfänglich ziemlich ordinäre Ton dieses Romans bessert sich zwar nach einer Weile, aber deswegen geht die Autorin noch lange nicht gerade liebevoll mit ihren Figuren um.
In diesem Buch ist jeder, ob gut oder böse, mit einer solchen Last an alten psychologischen Wunden beladen, dass es schon nicht mehr realistisch, sondern eher überzogen wirkt!
Die Handlung ist zwar stimmig, aber eigentlich ist dieses Machwerk nur erträglich, falls man einen äußerst pessimistischen Blickwinkel der Welt bevorzugt.
Wenn bereits die Hauptfigur sich selbst als Abfall bezeichnet und der Leser den gesamten Roman durch ihre (respektive seine) Augen gefärbt wahrnimmt, ist das Endergebnis eben nicht gerade erbaulich!
Um es drastisch auf den Punkt zu bringen: Was den Leser die gesamte Zeit seiner Lektüre hindurch nicht loslässt ist ein Gefühl von klebrigem, schmierigen und ranzigem Schmutz!
Wofür hier ein Preis verliehen wurde, bleibt unklar ...
Prädikat: Abstoßend!

Erika Drake

***

Dummerweise ist die lesbisch-sexistische Chefin von Kommissar Maurice Laice irgendwann einmal darauf gekommen, dass sich sein Name mit etwas bösem Willen wie "more is less" ausspricht - und das klebt Maurice von Stund an an den Hacken wie... na ja, wie Hundedreck.
Dabei ist Momo, wie Laice sich lieber nennt, eigentlich eher less als more: nur ein Polizist, mit dem man durchaus zufrieden sein kann. Unkonventionell, natürlich - aber müssen das gute Bullen nicht sein? Wie sonst würde Momo so tief in den Fall hineingeraten, der mit dem seltsamen Doppelmord an einem Star-Tänzer des Moulin Rouge und der kleinen Garderobiere beginnt und nach einem brillanten Zwischenspiel auf Korsika schließlich wieder im heimischen Montmartre endet: in einem Sumpf aus Drogenhandel, Finanzschiebereien und Immobilienspekulation, mit dem gewissenlose Makler das Viertel zum In-Quartier machen wollen.
Um das alles zusammen mit seiner Chefin einigermaßen klar auseinanderzudröseln ist Kommissar Momo genau der richtige Mann: mit seinem mittelschwer angeschlagenen Seelenleben, seinen Stimmungsschwankungen und der Verbissenheit, mit der er gegen seine Resignation ankämpft.
In die harten Töne eines "polar"-Romans mischt Chantal Pelletier virtuos die Momente der Poesie, deshalb kommt bei aller Härte der Fakten, die Momo zu Tage fördert auch nie der Eindruck auf, dass es hier nur um spekulativen Sex und effekthascherische Gewalt geht.
Der "Bocksgesang" ist ein poetischer polar-Roman um einen Bullen und sein Stadtviertel - und umgekehrt.

Reinhard Jahn