Das Buch direkt bei Amazon bestellen Friedrich Ani
German Angst

Droemer gebunden
ISBN 3-426-19543-7

Christoph Arano, vor über 30 Jahren als Kind aus Nigeria nach Deutschland gekommen und Mitinhaber einer kleinen Installationsfirma, kommt mit seiner Tochter Lucy nicht mehr klar: Seit dem Tod ihrer Mutter wird das Strafregister der Vierzehnjährigen ständig länger.
Da entführt eine rechtsradikale Gruppe die deutsche Verlobte Aranos, Natalia Horn, um die sofortige Abschiebung von Vater und Tochter zu erzwingen.
Die Diskussion um die erpresste Ausreise spaltet Polizei, Justiz und Öffentlichkeit in zwei Lager, ein Medienrummel ohnegleichen mobilisiert die Bevölkerung.
Auf der Strecke bleiben Anstand, Vernunft und Menschenwürde, und Natalias Suche nach der absoluten Liebe nimmt ein jähes Ende.

Rezension:
Was soll das sein, diese "German Angst"?
Ausländerfeindlichkeit?
Rassismus?
Ignoranz und Intoleranz?
Nationalismus oder dumpfes Biertischgerede?
Friedrich Ani bringt es auf den Punkt: Von allem etwas, fast nie wirklich böse, manchmal nur dumm, oft nur dahergesagt - doch in seiner Ballung eine brandgefährliche Mischung, an die bloß einer das Streichholz halten muss.
Das tut - ganz unabsichtlich - Lucy. Sie ist gerade 14, hat schon eine ziemliche Polizeiakte, und jetzt, gerade strafmündig geworden, kriegt sie richtig Ärger. Ihr Fall wird zum Politikum, ganz gegen den Willen von Kommissar Süden und seinen Kollegen aus dem Münchener Vermisstendezernat.
Ab ins Heimatland! sagt der Staatsanwalt mit der Karriere im Blick und gedeckt von der Politik bis hinauf zum Oberbürgermeister. Heimatland - das ist bei Lucy Afrika - von wo ihr Vater einmal geflohen ist, um politischer Verfolgung zu entgegen. Ein Land, das Lucy nicht einmal kennt. Aber wenn es um die deutsche Sicherheit geht, kennt der Deutsche eben kein Erbarmen.
Auf diesem Schwelbrand öffentlicher Stimmungsmache versucht ein rechtes Grüppchen ihr Süppchen zu kochen - man entführt die deutsche Freundin von Lucys Vater und droht, sie umzubringen, wenn das Mädchen nicht umgehend aus dem Land verschwindet.
In der Grundkonstruktion des Romans lässt der Münchener Fall "Mehmet" grüßen, aber an keiner Stelle erliegt Friedrich Ani der Versuchung, sich von ihm vereinnahmen zu lassen - kriminelle Kinder gehören schließlich mittlerweile zum Standardpersonal gutgemeinter TATORT- und POLIZEIRUF-Unterhaltung.
Ani geht es eben um die "German Angst", und die orchestriert er brillant in den zahllosen Stimmen, die Kommissar Tabor Süden bei seinen Ermittlungen in Sachen Lucy und der Suche nach der gekidnappten Freundin ihres Vaters zu hören bekommt.
Deutsche Stimmen: Taxifahrer und Hausmeister, Angestellte, Staatsanwälte, Durchgeknallte, das ganze Spektrum von Harmlosen bis Hirnlosen, die nur eines eint: die German Angst.
Monologe und Dialoge, scheinbar nur skizziert, aber in Wirklichkeit höchst verdichtet: Natürlich ist kaum einer ein Ausländerfeind ("Ich kenn eine Menge Ausländer..."). Natürlich will man niemandem ans Leben ("Sollen sie doch nach Hause gehen!") Aber immer ist da diese unsichere Unterströmung von "Man weiß ja nicht!" und "Sie sind halt anders!"
So schält sich die "German Angst" in diesem Roman heraus, eine bis ins letzte Detail ausdifferenzierte Momentaufnahme deutscher Zustände, ein Psychothriller an den Grenzen seines Genres, der die Befindlichkeit nicht nur in Stoiber-Land seziert - ohne sie zu werten, aber auch nicht, ohne eine Position zu beziehen: In großen Bildern, die man vielleicht manchmal zu pathetisch nennen könnte, wenn sie von einem weniger versierten Autor als Ani entworfen worden wären.
Aber so ist "German Angst" makellos - nicht zuletzt, weil er uns die German Angst nicht zeigt, sondern sie uns auch fühlen lässt - in jedem von uns.

Reinhard Jahn