Yasmina Khadra
Doppelweiss

(2. Band)
Original: Double blanc
Haymon gebunden
ISBN 3-85218-337-5

Die Ingredienzien passen für einen konventionellen Krimi: viele Verdächtige, garantiert Unschuldige, falsche Spuren, eindeutige Hinweise und wild wuchernde Spekulationen von Romanfiguren und Lesern gleichermaßen.
Doch der unter dem weiblichem Pseudonym Yasmina Khadra schreibende algerische Schriftsteller ist ein durch und durch politisch Autor, der das Genre des unterhaltenden Kriminalromans zur kritischen Analyse von Politik und Gesellschaft seines Heimatlandes nützt und auch wenig informierten Lesern ein authentisches Bild von Ursachen und Hintergründen vermittelt.
Die erfundene Geschichte vom Millionär Faid Dahmane, den Strohmännern seines illegalen Finanzimperiums und den damit zusammenhängenden Morden deckt tatsächliche Verhältnisse auf und lässt hinter die Fassaden der sich selbst zerstörenden algerische Gesellschaft schauen, schildert eindringlich die Atmosphäre von Angst und Verzweiflung, Demütigung und Unterdrückung und hilflosem Aufbegehren, nennt Korruption, Verbrechen und Terror beim Namen, auch wenn die heute Mächtigen dahinterstecken.
Denn Khadra schiebt die Schuld an den Zuständen nicht allein den Islamisten zu.

Rezension:
Yasmina Khadra, die mit richtigem Namen Mohammed Moulessehoul heißt und ein hoher Offizier der algerischen Armee war, ist die Schöpferin des algerischen Kommissars Brahim Llob. Eigentlich ist „Doppelweiߓ ja der vierte Band eines fünfbändigen Llob-Zyklus, dessen ersten beiden Teile noch nicht auf Deutsch vorliegen, auch wenn „Doppelweiߓ zusammen mit „Morituri“ und „ Herbst der Chimären“ eine stärkere Einheit bildet.
Kommissar Llob, schon viele Jahre im Dienst, ist desillusioniert. Seine Kinder und seine Frau sind schon lange bei seinem Bruder in Sicherheit. Er selbst schaut erst mal eine Viertelstunde aus dem Fenster, bevor er sich ins Polizeipräsidium wagt. „Verändern Sie Ihre Gewohnheiten“, wurde den Beamten gesagt, als die Terrorwelle das Land zu überschwemmen begann. Die Terroristen schrecken vor nichts zurück, besonders Intellektuelle werden von den Islamisten gejagt. Im Vorgängerband „Morituri“ entging Brahim Llob selbst, der nur durch Zufall der schwarzen Liste eines fanatischen Islamisten, dem unzählige Mitglieder der kulturellen Elite zum Opfer fielen.
Auch mit diesem Roman nutzt Yasmina Khadra die Möglichkeiten, die sich durch das Genre eines Kriminalromans bieten, um die tatsächlichen, gesellschaftlichen Verhältnisse schonungslos offenzulegen. Der Leser erfährt oft mehr über die grausame Realität eines vom Bürgerkrieg geplagten Landes, als er eigentlich wissen will. Und das tut weh. Aber wer sich darauf einlässt, wird mit einem einmaligen Leseerlebnis belohnt.

Kathrin Hanik