Das Buch direkt bei Amazon bestellen Henk Apotheker
Ayse ist weg

Original: De Turkenflat
grafit TB
ISBN 3-89425-511-0

In einem heruntergekommenen Viertel Arnheims kommt die vierjährige Ayse Kaymak nach dem Spielen nicht nach Hause.
Inspektor Peter Kressen und Bezirkspolizist Klein Drienen sind für die Vermisstensache zuständig.
Es ist nicht das erste Mal, dass in der Siedlung ein türkisches Mädchen verschwindet. Da ein früherer Fall nie aufgeklärt wurde, ist das Vertrauen in die Polizei nicht gerade groß.
Der türkische Familienklan, darunter auch der mit Heroin dealende Großonkel von Ayse, Bayram Amca, möchte die Suche selbst in die Hand nehmen.
Doch die Beamten setzen alles daran, den Fall aufzuklären.
Als zwei Tage später die Leiche des Kindes in einem Wassergraben gefunden wird, gerät der werdende Vater und Jungunternehmer Dennis Hiemstra unter Verdacht ...

Rezension:
So ist das mit Vorurteilen: sie sind schnell bei der Hand und meistens falsch.
Als das türkische Mädchen verschwunden ist, glauben die Polizisten Kressen und Drienen an ein weiteres Verbrechen des unbekannten Täters, dem wahrscheinlich vor Jahren schon einmal ein Kind zum Opfer gefallen ist - ein Fehler.
Und die türkischen Bewohner aus dem Viertel glauben, dass die Polizei ohnehin keine Lust hat, sich mit dem Fall zu befassen - auch ein Fehler.
Statt sich darauf zu verlassen, dass die niederländischen Bullen sich um Türken genauso wie um Einheimische kümmern, versuchen sie, die Suche nach der verschwundene Ayse in die eigene Hand zu nehmen. Nicht ganz ohne ganz eigene Motive: immerhin wird im "Turkenflaat" (so der Orginaltitel) im großen Stil mit Heroin dealt, und der Drahtzieher spielt geschickt die familiären Spannungen und die sozialen Konflikte seiner Landsleute gegen die Niederländer und ihre Polizisten aus - was die ermittelnden Beamten auf Schritt und Tritt zu spüren bekommen.
Wie dabei der etwas heruntergekommene Busunternehmer Dennis Hiemstra in die Geschichte hineinpasst, warum er sich in einem seltsam übertriebenen Gutmenschentum versucht, den jungen Ibrahim vorm Abrutschen ins kriminelle Milieu zu bewahren, bleibt lange Zeit eine ziemlich undurchsichtige Sache.
Erst als die verschwundene Ayse tot aufgefunden wird, nähern sich die beiden Handlungsfäden an, beginnt Henk Apotheker seine Geschichten zu verknüpfen und die Spannungsknoten immer fester zu ziehen.
Was mit dem deutschen Titel "Ayse ist weg" wie ein gut gemeinte Jugendbuch wirkt und sich dann im ersten Drittel doch wie ein präziser Gegenwartsroman über die Illusion von Integration von Migranten offenbart, wird schließlich zu einem der schwärzesten Polizei- und Kriminalromane der letzten Zeit.
Henk Apotheker ist ein souveräner Chronist einer Geschichte voller absichtsvoller und unabsichtlicher Missverständnisse zwischen Menschen, die vordergründig zwar miteinander auskommen, in Wirklichkeit aber nur nebeneinanherleben. Das geht aber nur so lange gut, wie die brüchige Oberfläche nicht angekratzt wird.
Am Ende erweist sich "Ayse ist weg" als nahezu makelloser schwarzer Krimi.
Und das ausgerechnet von einem Niederländer, die doch gar keine Krimis schreiben können.
Aber so ist das eben mit Vorurteilen.

Reinhard Jahn