Das Buch direkt bei Amazon bestellen Alexander Heimann
Muttertag

Cosmos Verlag
ISBN 3-305-00373-1

Roman Bühler bleibt auf der Türschwelle zur Küche wie vom Donner gerührt stehen: Da sitzt ein kleiner, blonder Bub im Tripp-Trapp-Sesselchen, das einst Kevin gehört hat.
Es war der 25. Oktober, an dem Margret Bühler mitten am Nachmittag auf dem Aareweg einen kleinen Jungen entführte und Hans Kammermann, ausgedienter Fahnder der Berner Kantonspolizei, einen leeren Kinderwagen vor sich her schob, weil jemand ihn endlich wieder einmal um Hilfe gebeten hatte: eine ziemlich verlotterte junge Frau mit rauchblauen, in Tränen schwimmenden Augen.

Rezension:
Der Spazierweg entlang der Aare in Bern - hier verliert die heruntergekommene Silvia ihren kleinen Sohn Roland.
Hier nimmt Margret Bühler den Jungen einfach mit, als er ihr verheult entgegenkommt.
Hier trifft der ausrangierte Polizist Hans Kammermann die aufgeregte Silvia und macht sich mit ihr auf die Suche nach dem Kind.
Und hier sitzt auch Sam, ein mittelschwerer Ganove, der sich seinen eigenen Reim darauf macht, was er da sieht.
Mit traumwandlerischer Sicherheit choreografiert Alexander Heimann seine Menschen um diesen Weg am Fluss, führt uns zurück in die Ehegeschichte von Margret und Roman Bühler und wieder voran in die seltsame Beziehung, die der vereinsamte Ex-Polizist Kammermann mit der jungen Mutter Silvia aufbaut.
Begibt sich mit dem Ganoven Sam und seinem Komplizen auf einen Seitenweg, der uns dann unversehens wieder zurückbringt an die Aare: Schicksalswendungen, tödliche Treffen, die Alexander Heimann mit Schweizer Präzision in Dramaturgie und Sprache zu einer Geschichte von Menschen zusammenfügt, die ihr Leben neu ordnen müssen.
Geschichten wie diese hat in dieser Qualität zuletzt Georges Simenon erzählt: in einem kleinbürgerlichen Kammerspiel mit wachen Blick für Stimmungen und Zwischentöne, beeindruckend schön in der Sprache und zutiefst menschlich in ihrem Empfinden.

Reinhard Jahn