Das Buch direkt bei Amazon bestellen Kate Morgenroth
Töte mich zuerst

Original: Kill me first
Knaur TB
ISBN 3-426-61806-0

Sarah Shepherd hat nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes keinen Lebenswillen mehr und wird in ein Sanatorium eingewiesen.
Am Unabhängigkeitstag wird das Heim von einer Bande von Terroristen unter Führung des skrupellosen Psychopathen Merec überfallen, der vor laufenden Kameras ein schreckliches Blutbad anrichtet.
Auf morbide Weise fasziniert von seiner animalischen Lebenskraft wird Sarah seine Komplizin ...

Rezension:
Seitdem sich 1973 bei einem Banküberfall in der schwedischen Hauptstadt einige Geiseln mit ihren Peinigern angefreundet hatten, nennt man eine solche Situation "Das Stockholm Syndrom".
Dabei kann es sein, dass sich Opfer mit den Tätern arrangieren und u.U. sogar deren Ziele massiv unterstützen.

***

Sarah Shepard wird nach dem plötzlichen Unfalltode ihres Mannes, bei dem sie den Wagen lenkte und für den sie sich verantwortlich fühlt, in ein Sanatorium eingewiesen.
Dort vegetiert sie nur noch vor sich hin, bis eines Tages eine Gruppe von Terroristen das Heim besetzt und vor einer mitlaufenden Kamera scheinbar wahllos und ohne Skrupel alle Insassen tötet.
Alle, bis auf Sarah Shepard und Rose.
Der Anführer, ein gewisser Merec, lässt Rose im Heim und sagt ihr, Sarah würde sterben, wenn sie der Polizei irgendwelche Angaben macht.
Sarah wird als Geisel mitgenommen, da sie sich als einzige nicht so verhält, wie Merec es eigentlich von ihr erwartet hatte.
Trotz Folter, Schlägen und einem fast unmenschlichen Verhalten Merecs gegenüber Sarah baut sich nach und nach eine Beziehung zwischen den beiden auf.

Man kann während des Lesens nicht glauben, dass eine zarte junge Frau von gerade mal 30 Jahren einen solchen Charakter erschaffen hat. Die Kälte, mit der Merec nach und nach alle tötet, die mit ihm in Berührung kommen, raubt dem Leser manchmal die Worte.
Kate Morgenroth beschreibt Merec, seine Ideen und seine Gedanken, mit einer morbiden, faszinierenden Kenntnis, die fragen lässt, woher sie wohl die Gedankengänge kennt, die in solch einem kranken Hirn vorgehen.
Oder wie sie den Sarkasmus des FBI-Agenten Treslers beschreibt: "Ich wollte immer ein Verbrecher sein. Aber dazu hat es nicht gereicht, also habe ich das zweitbeste genommen."
Der ganze Roman ist faszinierend geschrieben, mit einem erstaunlichen, nie erwarteten Ende.
Und einer Menge Fragen, die offen bleiben.

***

"Wenn ich von vier Entführern auf einer Trage von einem Camp zum anderen transportiert werde, dann bin ich ihnen dafür dankbar."
Renate Wallert, Geisel, zum Stockholm Syndrom.

Compuexe

 

Gastrezension(en):


Name: B. Grotewohlt
Email: das_lektoratorium@gmx.de
Datum: 21.10.2008 (19:33)

Hier wird weder mit Kuschelweich noch mit Lenor gespült. Also nix für Täter-Psychogramme favorisierende á la Minette Walters. In Töte mich zuerst gehts hart ab – ohne Umweg. In Sachen Niveau vielleicht vergleichbar mit Thomas Harris’ Büchern. Wir leben im Zeitraum des Negierens wertvoller menschlicher Eigenschaften und eines Lebens mit (oder der Angst vor)Kriegen, Terrorismus – par excellence. Bei Kate Morgenroth nun treibt ein Einzelner sein Unwesen. Natürlich mit Komplizen, die nachfolgend ebenso dran glauben müssen wie ihre Opfer. Merec, der Oberpsychopath, verfügt mit dieser Stellung über alle erdenklichen Mittel. Perspektivwechsel. Wie viel Marter kann ein Mensch – hier eine Frau, aushalten, um die ungewisse Gewissheit zu haben, weiterleben zu können? Wie viel schauspielerisches Talent kann, soll, muss eine aufbieten dafür? Sarah Shepherd kann – weil sie will: sie wird schließlich Merecs Komplizin! Ich habe Sarah zuerst nicht verstehen können: Wieso weshalb warum, usw. usf. Jetzt versetzen Sie sich bitte mal in diese Rahmenhandlung und finden ‚bessere’ Lösungen – als den Tod. Das sind für mich zutiefst elementare Fragen, die sich mir mit dem (Vor-) Wurf Töte mich zuerst zunächst prosaisch stellen. Und dann? Wahrscheinlich können wirklich nur Seelenwunde / Depressive / allem Abgeschworene solch schonungslosen Bildern unseres Zeitgeists etwas abgewinnen ... Kate Morgenroth jedenfalls bietet zum Nachdenken darüber hinreichend Stoff, packend bis zur letzten Seite. – Carpe diem! (‚Hintergrundmusik’ zum Buch: Burial, Dead Can Dance, goa head, Hocico, Mogwai ...)