Das Buch direkt bei Amazon bestellen Muriel Spark
Hundertundelf Jahre ohne Chauffeur

Original: Open to the Public
Diogenes gebunden
ISBN 3-257-06314-8

Was tun, wenn die von einem selbst erfundene Figur plötzlich empört an der Haustür klingelt?
Und wie kann es passieren, dass man im eigenen Haus zum Butler wird?
Was, wenn ein Gespenst als Patient in die Praxis kommt?
Und wenn der eigene Chef einem immer weniger geheuer wird?
Muriel Spark kennt wie keine andere die Tücken des Alltags und der Phantasie. Pointiert und präzise fängt sie den leichten Wahn ein, der überall lauert, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Aufzügen, alten Schlössern und verhockten Dörfern.
"Ich kann mir keine geistlosere Beschäftigung vorstellen, als ein Gespenst zu sein und einfach so post mortem aufzutauchen und zu verschwinden. Warte nur, bis ich dich weganalysieren lasse", so wehrt sich ein Verfolgter gegen den Geist, der ihn bedroht.
Und er ist nicht allein: Die "Helden" bei Muriel Spark greifen zu höchst ungewöhnlichen Mitteln, um mit der Wirklichkeit fertig zu werden.
Immer genau dann, wenn man verheerende Ironie erwartet, passiert noch etwas viel Verrückteres und viel Echteres.

Rezension:
In Muriel Sparks zweiten neuestem Geschichtenband spielen ungewöhnliche, erstaunliche und vor allem erzählenswerte Begebenheiten die Hauptrolle.
Dabei sind nur wenige Geschichten klar als Krimi zu definieren, die meisten stellen eine Mischung aus Science Fiction, Schauerroman, Parodie und Komödie dar, die aber gerade diesen Geschichtenband so interessant macht.
Am bemerkenswertesten dürften sicherlich die Geschichten "Der perlweiße Schatten", "Harper und Wilton" sowie "The Girl I left behind me" sein.
In der ersten wird die Psychiaterin Felicity Grayland von einem perlweißen Schatten aufgesucht und wundert sich nicht einmal darüber, muss aber einige Versuche unternehmen, um den lästigen Patienten wiederloszuwerden.
"Harper und Wilton" dagegen sind zwei edwardianische Suffragetten, die sich bei ihrem Schöpfer bitterlich über das ihnen zugedachte Ende in einer Erzählung beschweren, während die namenlose Ich-Erzählerin in der letzten Geschichte eine schaurige Entdeckung macht, als sie sich endlich daran erinnert, was sie eigentlich so schmerzlich sucht.
Einen ganz besonderen Charme versprüht aber auch die Titelgeschichte "Hundertundelfjahre ohne Chauffeur" , in der alten Familienfotos eine überraschende neue Rolle zugewiesen wird.
Ein faszinierender Einblick in das Werk einer großen Schriftstellerin, an den sich sogar passionierte Krimileser noch lange erinnern werden.

Kathrin Hanik