Das Buch direkt bei Amazon bestellen Uta-Maria Heim
Ruth sucht Ruth

Berlin-Verlag TB
ISBN 3-442-76023-2

Die Jüdin Ruth Bell kehrt nach 55 Jahren aus New York in ihre Heimatstadt Berlin zurück. Gegen Ende ihres Lebens sucht sie nach den Spuren der eigenen Geschichte. Und nach einem Gemälde, das sie zurückließ, als sie sich vor den Nazis verstecken musste.
Ruth ging in den Untergrund. Sie wurde festgenommen und deportiert. Jemand hatte sie geschützt - und verraten. Jemand, der sie liebte.
Nun will Ruth Gewissheit. Doch nirgendwo gibt es noch Zeugen.
Am Alexanderplatz trifft Ruth mit den nichts ahnenden Nachfahren ihrer einstigen Gefährten und Peiniger zusammen - dabei kommt es im Fahrstuhl des Fernsehturms zur Katastrophe.

Rezension:
Wieder so ein Klappentext, der sich gegen das Buch stellt: Keine Katastrophe bahnt sich an, als Ruth nach 55 Jahren nach Berlin zurückkehrt.
Kein Psychothriller wartet auf uns (wiewohl man das freilich bei Uta-Maria Heim auch ohne weiteres erwarten könnte), sondern ein Großstadt- und Gesellschafts-, ein Zeit- und zeitgeschichtlicher Roman.
Wunderbar erzählt, mit einer präzisen Beobachtungsgabe, die sich nie mit der Oberfläche zufrieden gibt, sondern den schicken Glanz der Möchtegern-Metropole Zug um Zug hinterfragt.
Bestückt mit Personen, denen Uta-Maria Heim durchs Neu-Berliner Hauptstadtlabyrinth folgt - rund um den Potsdamer Platz und bis weit in die Vergangenheit hinein. Sie zeigt Werbefuzzis, Architektinnen, einen angefreakten Kiez-Arzt, die bayerische Provinz-DJ-Jane Agathe, die sich ganz hauptstädtisch A-Gate nennt und viele mehr bewegen sich in einer dramaturgischen Matrix aus Gegenwarts- und Vergangenheitsbezügen, die sie selbst nur langsam und auch manchmal nicht ganz begreifen.
Ruth Bell kehrt nach 55 Jahren aus ihrem New Yorker Exil nach Berlin zurück, weil sie in der Zeitung ein Nolde-Gemälde erkannt hat, das Erinnerungen an ihre Jugend unter der Naziherrschaft weckt.
Die alte Jüdin hält das ganze Gewusel aus Neu- und Alt-Berlinern auf ihrer Suche nach ihrer Identität als Repräsentanten der "Berliner Republik" zusammen, genau wie die neue Hauptstadt vom Korsett ihrer Geschichte zusammengehalten wird.
Short-Cuts aus Zeiten des Überganges; keine angestrengten Versuche, "den" Hauptstadtroman zu schreiben, sondern ein faszinierendes, flirrendes Kaleidoskop von Momentaufnahmen aus dem Hier und Jetzt.

Reinhard Jahn