Das Buch direkt bei Amazon bestellen Ursula Steck
Feuerzeichen

grafit TB
ISBN 3-89425-240-5

Scheinbar trauriger Höhepunkt eines Entmietungsversuchs: Erdgeschoss und erster Stock des Hauses, in dem Nora König wohnt, stehen unter Wasser. Angeblich Rohrbruch.
Nur wenige Stunden später kommt es noch schlimmer: Das Haus wird Opfer eines Flammenmeeres und es entsteht nicht nur Sachschaden. Eine Mieterin, Lore Pütz, kommt ums Leben.
Nora König und Lea, eine Mitbewohnerin des Hauses, sind davon überzeugt, dass ihr Vermieter Heinz Gutenberg seine Finger im Spiel hat. Das Unternehmen Gutenberg-Immobilien ist dafür bekannt, Altbauten zu kaufen und nach einer Luxussanierung teuer zu vermieten.
Die Polizei ermittelt nur halbherzig und schließt Brandstiftung bald aus, obwohl eine fremde Person im Haus gesehen wurde, kurz bevor der Brand ausbrach. Lea und Nora wollen sich nicht zufrieden geben und versuchen gemeinsam mit ihrer Freundin Toni Walter, bei der sie Unterschlupf finden, Gutenberg illegale Tätigkeiten nachzuweisen.
Sie lernen die merkwürdige Familie Gutenbergs kennen: Yoko, die Tochter, erweist sich als notorische Lügnerin, der Sohn Ralf entpuppt sich als sanfter Kerl, der gegen seinen Vater nicht ankommt, und dann gibt es da noch Rick.
Um den autistischen jungen Mann kümmert sich Gutenberg rührend. Hat er tatsächlich die Chuzpe, seine Mieter in Lebensgefahr zu bringen?
Oder musste Lore Pütz sterben, weil sie sich für ein anderes Miet-Opfer des Immobilienhais rächen wollte?

Rezension:
Im wirklichen Leben würde jemand wie Toni Walter wahrscheinlich unglaublich nerven: alles wird erst mal hin und her diskutiert, alles ist irgendwie immer wichtig und zwischendurch muss unbedingt mal was gegessen oder Kaffee getrunken werden.
Toni fährt Taxi, wahrscheinlich weil sie irgendwo Probleme hat, ihren Lebensplan auf die Reihe zu bekommen, und wahrscheinlich aus dem gleichen Grund gerät sie auch immer wieder in Kriminalgeschichten, die irgendwie zusammenhängen, aber nie so, wie man denkt, denn irgendwie ist ja immer alles ganz anders: irgendwie komplex und dann doch irgendwie ganz einfach.
Als literarische Figur funktioniert Toni Walter dagegen sehr gut, das war schon bei "Alles im Fluss" so - eine Studie von der anderen Seite der "Generation Golf", Geschichten aus dem alternativen Heldenleben zwischen Wohnküche und Taxistand.
Mehr als einmal fragt man sich, wie diese Toni Walter überhaupt als Heldin in einen Krimi geraten konnte - bei ihren ständigen Grübeleien über sich und den Zustand der Welt gibt es eigentlich kaum einen Ansatz, um sie zur Amateur-Ermittlerin zu machen.
Ursula Steck schafft es trotzdem - langsam, unaufgeregt breitet sie den Fall aus, der zunächst genau so scheint, wie man sich einen links-alternativ korrekten Fall vorstellt: Hauseigentümer Gutenberg passt haargenau ins Feindbild des luxussanierenden Immobilienspekulanten - da liegt für Toni und ihre Mit-Ermittler natürlich der Verdacht nahe, dass er hinter den seltsamen Bränden in seinen Objekten steckt.
Aber in Tonis Welt ist eben niemals etwas so, wie es scheint: da enthüllt der neureiche Miethai eine politisch bewegte Vergangenheit und hat dazu noch so viel Gestörte in seiner Familie, dass davon eine ganze Staffel DERRICK leben könnte: die punkrockende Tochter, den autistischen Sohn und als ob das nicht schon reichte auch noch eine etwas seltsame Ehefrau.
Dass das alles so ist, ist natürlich (irgendwie) kein Zufall, sondern alles durchkomponiert, denn "Feuerzeichen" ist ein Buch über Lebensbehinderungen, genau wie "Alles im Fluss" ein Buch über Kommunikationsdefizite war.
Deswegen gibt es noch eine kesse Rollstuhl fahrende Mit-Ermittlerin, die Toni und ihrer gehörlosen Freundin Nora beim Schnüffeln hilft.
Irgendwann bemerkt man das Reißbrett auch, auf dem die Geschichte entworfen wurde, aber glücklicherweise spannt Ursula Steck den Bogen an dieser Stelle nicht mehr weiter und versöhnt uns mit einem ordentlichen Showdown-Schluss in der für solche Anlässe beliebten alten Fabrikhalle.
Das ist dann auch der Punkt, an dem Ursula Steck ihre literarische Ambition hinter sich lässt, die deutsche Henning Mankell zu werden, und das erleichtert schon sehr.
Irgendwie.

Reinhard Jahn