Das Buch direkt bei Amazon bestellen Kathy Reichs Klaus Berr
Knochenlese

Original: Grave Secrets
(5. Band)
Deutsch von Klaus Berr
Blessing gebunden
ISBN 3-89667-198-7

Im Jahr 1982 ereignete sich in Chupan Ya, einem kleinen Dorf in Guatemala, ein schreckliches Verbrechen. Während des Bürgerkrieges stürmte ein Militärkommando die Häuser, verschleppte, quälte und tötete Frauen und Kinder.
Heute, 20 Jahre nach dem Massaker, machen sich die Mitglieder einer Menschenrechtsorganisation daran, die lang verschwiegene Bluttat aufzuklären. Unterstützt werden sie von Dr. Tempe Brennan aus Montreal, die sich bereit erklärt hat, bei der Identifizierung der Opfer zu helfen.
Die abgebrühte Kriminologin beginnt mit einer Knochenlese, die selbst ihr alles abverlangt. Als ein Attentat auf ihre Kollegen verübt wird, lässt sich nicht mehr leugnen, dass die amtierenden Machthaber in ihrer Kaltblütigkeit den Anhängern früherer Regimes mehr als ebenbürtig sind.
Brennan folgt einer Spur, die sich von der dunklen Vergangenheit des Landes bis zu einer rätselhaften Mordserie im heutigen Guatemala City führt, wo sie ihres Lebens bald nicht mehr sicher ist.

Rezension:
Sie wollten immer schon mal verstehen, wie das denn nun ist, mit der DNS und dem genetischen Fingerabdruck? Darüber hinaus würde es Sie - wenn wir schon mal dabei sind - doch interessieren, worin sich denn nun "echte" DNS und die mitochondrische DNS unterscheiden und was all das mit Zar Nikolaus und Prinz Philipp von England zu tun hat?
Nun, nichts leichter als das! Studieren Sie einfach Seite 241 ff des vorliegenden Romans und spätestens nach dem dritten Lesen werden Sie sich fragen, wieso Sie bisher immer das Thema wechselten, wenn Ihre Sprößlinge mehr über diese wirklich kinderleichten Zusammenhänge wissen wollten ...
Und das alles verdanken Sie dem Können von Kathy Reichs bei der vereinfachten Darstellung komplexer Themen in Form von "Fünf-Minuten-Versionen", die Tempe Brennan dem naturwissenschaftlichen Laien Andrew Ryan (und jedem interessierten Leser) angedeihen läßt.
Dass die Spannung auf den mehr als 380 Seiten dennoch nicht verloren geht, sondern kontinuierlich steigt bis sie in ein (wie immer) furioses Finale mündet, bei dem die Anthropologin mit Biss (wie immer) in Lebensgefahr gerät, aus der sie (wie immer) in letzter Minute gerettet wird, dafür wiederum sorgen die höchst dramatischen Umstände, die diese wissenschaftlichen Informationen erst notwendig machen.
Schon auf den ersten 50 Seiten geht es dabei so "zur Sache", dass Leser mit einem zarten Gemüt sich besser den Inhalt zusammenfassen lassen sollten. Nicht nur werden die Überreste der Opfer eines grauenvollen Massakers durch skrupellose Schlächter geborgen - ein Vorgang übrigens, dessen schreckliche Dimension gerade durch den lakonischen Erzählstil der Autorin an dieser Stelle noch gesteigert wird. Nein, nach einem Überfall, bei dem bereits am Ende des ersten Kapitels Kollegen der Ich-Erzählerin schwer verletzt bzw. getötet werden, bildet ein Leichenfund in einem Faultank und die entsprechende Bergung den vorläufigen Höhepunkt. Seien Sie versichert, dass Sie dort mehr über die Beschaffenheit einer Klärgrube und dem Aufgabenbereich einer forensischen Anthropologin erfahren werden, als Sie je wissen wollten!
Und doch gleitet der Roman nicht ab, werden ekel-erregende Details offenkundig nicht um ihrer selbst Willen dargebracht, und schon gleich gar nicht, um den Romans insgesamt spektakulärer zu machen. Alle Fundstücke haben ihre logische Berechtigung und dienen in erster Linie dazu, die Methoden aufzuzeigen, die auf kriminaltechnischer Seite zur Identifizierung eingesetzt werden.
Ein Haar dort, ein Knochenfragment da - und der Leser wird automatisch in die Handlung einbezogen, fiebert mit, wenn Brennan und Galiano, der ermittelnde Beamte vor Ort, durch einen neuen Hinweis einen Schritt weiter kommen in ihrer Suche nach der Wahrheit.
Dazwischen prickelt es ganz gehörig auf zwischenmenschlicher Ebene - auch das ein Fakt, der die Handlung als solche absolut nicht stört, sondern anreichert. Ebenso wie die ironischen Bemerkungen in Tempes Selbstgesprächen und beim verbalen Schlagabtausch sowohl mit Ryan als auch mit ihrem (und dessen) Erzfeind Luc Claudel.
Die angerissenen Themen reichen von den Menschenrechtsverletzungen in Guatemala über die zuweilen recht unheilvollen Auswirkungen diplomatischer Immunität bis hin zur Genforschung mit all ihren weitreichenden Folgen.
Alles in allem ist also auch dieser ebenso informative wie spannende Roman der Erfolgsautorin (wie immer - und das zu Recht!) ein aussichtsreicher Kandidat für die Spitzenplätze der Bestsellerlisten.

Miss Sophie