Das Buch direkt bei Amazon bestellen J.M. Morris Susanne Goga-Klinkenberg
Das Gespinst

Original: Fiddleback
Deutsch von Susanne Goga-Klinkenberg
Krüger gebunden
ISBN 3-8105-1280-X

"Wie beschreibt man den Moment, wenn in den Augen eines Menschen das Licht erlischt und sich die Dunkelheit ausbreitet?"

Ruth Gemill ist eine junge Frau in London. Als ihr jüngerer Bruder Alex nicht auf ihre Anrufe reagiert, macht sie sich auf, um nach ihm zu sehen. Aber als sie nach Greenwell, dem Ort, wo er als Lehrer arbeitet, kommt, ist keine Spur von ihm zu finden.
Besorgt macht sie sich auf die Suche, aber bald merkt sie, dass die Leute von Greenwell merkwürdig abweisend sind und sie immer nur neue Fragen, aber keine Antworten bekommt. Eine unheimliche Stimmung lastet über dem Ort. Warum verhält sich die Polizei so ablehnend? Und wer ist jener 'graue Mann', mit dem Schulkinder Alex beobachtet hatten, bevor er verschwand?
Immer deutlicher ahnt Ruth, dass etwas Furchtbares geschehen sein muss, mysteriöse Ereignisse lassen die Situation außer Kontrolle geraten. Entsetzt glaubt Ruth auf einmal, ihren Ex-Freund zu sehen, den Mann, der ihr jahrelang Schmerzen zugefügt hatte.
Erst als es schon fast zu spät ist, erkennt Ruth, dass alte Ängste sie heimsuchen und sie sich im Zentrum eines Albtraums befindet, der schlimmer und dunkler ist als alles, was sie sich je vorstellen konnte ...

Rezension:
Ruth Gemill, von Beruf Filmdesignerin, will Alex, ihren zwei Jahre jüngeren, schwulen Bruder besuchen, der sich längere Zeit nicht bei ihr gemeldet hat.
Ruth macht sich also auf in die kleine Stadt Greenwell, wo Alex seit einiger Zeit als Lehrer arbeitet.
Dort angekommen, erlebt Ruth einige unglaubliche Vorfälle, die man nicht alleine mit Fremdenfeindlichkeit umschreiben kann. Das ganze Dorf scheint sich gegen sie verschworen zu haben.
Alex ist indessen nirgendwo zu finden und egal an wen sie sich wendet, jeder Bewohner Greenwells legt ihr Steine in den Weg.
Selbst die Polizei, anstatt ihr Hilfe zu leisten, tut alles, um Ruth auf das Schlimmste zu demütigen und wieder loszuwerden.
Und irgendwann glaubt Ruth ihren gewalttätigen Ex-Mann Matt durch ein Fenster zu entdecken und aus ihrem Unbehagen wird pure Angst.
Und über allem droht diese merkwürdige Geschichte vom "Grauen Mann".
"Das Gespinst" ist ein reinrassiger Psychothriller, der zu Herzen geht. Packend und mystisch geschrieben, spannend bis zum überraschenden, aber alles erklärenden Ende, ist das Erstlingswerk von J.M. Morris keinesfalls eine gute Bettlektüre. Man sollte den Roman nur inmitten von anderen Leuten lesen, am besten in einem Park oder einer Fußgängerzone.
Aber, ganz ehrlich, wer macht das schon?

Compuexe

***

Die Heldin der Geschichte ist Ruth, eine Frau um die dreißig – eine Vertreterin der „Generation Ally“ möchte man meinen. Dynamisch, erfolgreich und eine die, wenn sie nicht „Sex in the City“ so doch ihr Leben im Griff hat - meist zumindest.
Wenn, ja wenn da nicht diese düstere Seite ihrer Vergangenheit wäre, mit einer gescheiterten Beziehung, die alles aufweist, worauf frau sicherlich nicht stolz ist: bis hin zu Demütigung und Gewalt.
Nur einen gab es, der in diesen schweren Zeiten zu ihr hielt – Alex, der kleine Bruder. Klar, dass sich die Protagonistin umgehend aufmacht, ihn zu suchen, als es heißt, der Lehrer sei verschwunden.
Und so fährt sie von London nach Nordengland. Eine raue Gegend, in der auch die Bewohner keine Süßholzraspler sind. Sondern eher vom Typ „harte Schale, weicher Kern“. Normalerweise.
Nicht so in Greenwell. Hier sind alle Menschen, die Ruth um Hilfe oder auch nur um Informationen bittet, unfreundlich – wenn sie ihr nicht sogar offene Feindseligkeit entgegen bringen. Und auch die Polizei ist alles andere als ein „Freund und Helfer“.
Als Krönung des Ganzen scheint es, als sei Ruths Exfreund ebenfalls in der Gegend – und das mit Absichten, die sich seit der gemeinsamen Zeit nicht wirklich in Freundlichkeit verkehrt haben ...
Und während Ruth ihre Suche fortsetzt und dabei auf Dinge stößt, die sie besser nicht finden sollte, während sie sich ängstigt und mehr und mehr in ihre seelischen Bestandteile auflöst, da leidet auch der Leser und fragt sich: Das Gespinst ... WER spinnt hier? Die Hauptfigur? Der Autor? Man selbst ...?
Manche Wendungen in der Handlung sind so absonderlich und abseitig, dass man nicht weiß, ob man Morris für sein Geschick, mit den Ängsten und Phantasien der Charaktere UND seiner Leser zu spielen, rückhaltlos bewundern oder sich doch eher fragen soll, wer so etwas wohl glauben wird.
Und bis zum Schluss bleiben die Zweifel, wobei es sich denn nun um ein reales Verbrechen handelte und was sich nur in den Köpfen der Protagonisten abspielte. Genau das ist auch die Stärke dieses Thrillers von ganz eigenem Reiz.
Schade nur, dass die Spannung, die der Autor aufbaut, nicht durchgängig gehalten wird – es bleibt der Gedanke, dass man aus einem solchen Stoff hätte mehr machen können.
Eines allerdings ist klar: Vom Zuschnitt her müsste sich eine Verfilmung des Romans sicherlich nicht vor den gängigen Psychothrillern verstecken, ganz im Gegenteil!

Zack