Das Buch direkt bei Amazon bestellen Birgit H. Hölscher
Treibjagd an Bord

Scherz TB
ISBN 3-502-51884-X

Ibo Schulz ist Personenschützerin mit einem kleinen Nebenjob: Sie arbeitet als Auftragskillerin für reiche Kunden.
Als eine Operation in Hongkong ansteht, entscheidet sie sich, auf dem Frachter "Soluna" nach Asien zu reisen. Skurrile Passagiere, ein charmanter Kapitän und die Weiten des Ozeans scheinen Urlaubsstimmung zu garantieren.
Doch diese Seefahrt ist alles andere als lustig - Ibo ist nicht die Einzige an Bord, die dunkle Absichten hegt ...

Rezension:
Ein recht ungewöhnlicher Schauplatz, den uns da die Sozialwissenschaftlerin Hölscher präsentiert - gleichzeitig aber ein Setting, in dem wie sonst selten eine "mouse-trap-Situation" geschaffen werden kann. Denn schließlich kann kein Verdächtiger auf einem Schiff so einfach das Weite suchen.
Schön ist: Die schwimmende Mausefalle beherrbergt so einige skurrile Charaktere - schade ist, dass der Bösewicht von Anfang an fest steht.
Wobei Hölscher im furiosen Finale noch einmal sämtliche einer Autorin (noch dazu einer, die, wie diese in den unterschiedlichsten Milieus verdeckte Recherchen durchführte) zur Verfügung stehenden Mittel ausreizt, um den Leser zu verblüffen.
Interessant auch die Wandlung, die die Heldin im Verlauf der Geschichte durchmacht - seltsam und unbefriedigend, wenn nicht fast schon unglaubwürdig, wie die Protagonistin ganz am Schluß ihr komplettes Weltbild und ihre bisherige Tätigkeit in Frage stellt.
Insgesamt aber ein durchaus spannendes und unterhaltsames Werk - nur vielleicht mit ein paar zu vielen losen Enden, die sich aber durchaus als Einstieg für einen Folgeband eignen könnten ...

Miss Sophie

***

Damit das schon mal klar ist: Die SOLUNA ist kein Traumschiff, sondern ein stinknormaler Frachter, dessen Reederei sich etwas dazu verdient, indem sie Passagiere mitnimmt.
Und damit auch das klar ist: Ingeborg "Ibo" Schulz, die auf der SOLUNA in eine seltsame Mordgeschichte verstrickt wird, ist auch keine der süßen kleinen Krimi-Ladies, die sich mit Strickzeug und klugen Sprüchen durch einen Kriminalfall tüfteln.
Nein, Ibo Schulz ist eine Miet-Killerin auf dem Weg zur Arbeit: In Hongkong soll sie jemandem das Licht ausblasen, aber soweit kommt es gar nicht: Auf der SOLUNA stirbt die Gattin eines der Passagiere.
Unfall oder Mord - Stoff genug für die gelangweilten Reisenden, sich den Kopf zu zerbrechen. Bis auf Kanowitsch, den mysteriösen Russen, machen alle mit: Romy, der Transvestit aus Holland, Erwe, der skurrile Heftchen-Schriftsteller oder Olga Petrowa, die spät erblühte Männerjägerin.
Ein Szenario wie von Agatha Christie ersonnen - aber Birgit H. Hölscher. Marlowe-Preisträgerin von 2001 lässt sich nicht darauf ein, die einhundertunderste Version von "Tod auf dem Nil" zu schreiben. Sie konzentriert sich auf Ibo Schulz und das Dilemma, in das die auf einmal gerutscht ist: Als Killerin plötzlich mit der Aufdeckung eines Mordes zu tun zu haben. Dann wenn noch was klar ist, dann das: Je schneller man den Täter unter Passagieren oder Personal gefunden hat, desto schneller kehrt wieder Ruhe ein auf der SOLUNA.
Das allein ist schon eine interessanter Ansatz für eine Kriminalgeschichte, aber als eine der unkonventionellsten Autorinnen der deutschen Krimi-Szene zieht Birgit H. Hölscher die Schraube noch ein Stückchen weiter an und dreht das Murder-Mystery geschickt in einen Action-Thriller: Agatha Christie meets Alistair MacLean.
Das ist nicht nur gut so, sondern ganz ausgezeichnet: eine belebende Mixtur aus Standardsituationen und ungewöhnlichen Seitenblicken. Mit Ibo Schulz als ungewöhnlicher Heldin gehen wir endlich einmal abseits der gequälten "Frauen morden besser"-Pauschalreisen auf Tour: das hier ist Krimi der Luxusklasse, mit einem beeindruckenden bad girl als Reisebegleiterin.

Reinhard Jahn