Mary Roberts Rinehart
Die Wand

(Original: The Wall)
DuMont TB
ISBN: 3-8321-8307-8

Kein Zweifel, Juliette war alles andere als beliebt in der Gesellschaft, in die sie hineingeheiratet hatte. Ihr Gatte Arthur hat sich von ihr mit einer ruinös teuren Scheidung getrennt. Jahre später taucht Juliette wieder auf – doch wenige Tage nach ihrer Rückkehr wird sie ermordet.
Fast jeder in dem exklusiven Örtchen hatte einen Grund, Juliette den Tod zu wünschen. Jetzt ist es an Russell Shand, das aristokratische Schweigen zu durchbrechen und Juliettes Mörder zu finden.

Rezension:
Die exzellenten und überaus subtilen Krimis der Amerikanerin Mary Roberts Rinehart sind gleichzeitig faszinierende Gesellschaftsromane, die eine untergegangene Epoche lebhaft und anschaulich portraitieren. Zwischen 1906 und 1953 produzierte sie, ursprünglich aus wirtschaftlicher Not, mehr als fünfzig Romane, mit denen sie immense Erfolge erzielte und schließlich zu wirklichem Reichtum gelangte (sie konnte sich sogar einen Rolls Royce mit Privatchauffeur leisten).
Ihr überwältigender Erfolg ist auf die Erfindung einer völlig neuen Erzählperspektive zurückzuführen, die als „Had I But Known“-Schule in die Literaturgeschichte eingehen sollte und in deren Manier auch so berühmte Romane wie „Rebecca“ von Daphne du Maurier verfasst worden sind.
Der vorliegende Krimi „Die Wand“ spielt auf Rock Island, einer kleinen Insel an der Ostküste, auf der neben den Einheimischen im Sommer auch viele (durch die Depression mittlerweile mehr oder weniger) reiche New Yorker ihre Sommersitze haben.
Marcia LLoyd, die Protagonistin, gehört zu denen, die durch den Schwarzen Freitag 1929 erhebliche Einbußen hinnehmen mussten und nun verzweifelt versucht, den gewohnten Lebensstandard zu halten und lieber auf ein teueres Auto verzichtet als treue Bedienstete zu entlassen.
Sie wollte eigentlich nur einen friedlichen Sommer zusammen mit ihrem Bruder und dessen Frau verbringen, als plötzlich Juliette Ransom auftaucht, Arthur Lloyd’s Exfrau und die friedliche Idylle schon bald zu bröckeln beginnt, denn Juliette war nicht nur im Hause Lloyd wenig beliebt. Doch die Probleme fangen erst richtig an, als Juliette verschwindet und Arthur des Mordes verdächtigt wird...
Auf knapp 400 Seiten lässt Mary Roberts Rinehart ein eng verwebtes Spinnennetz aus dunklen Geheimnissen, Lügen und vielen falschen Spuren entstehen, das erst ganz zum Schluss nach vielen überraschenden Wendungen durch den Dorfpolizisten und nicht die arrogante New Yorker Kriminalpolizei aufgeklärt wird, mit Sicherheit für die allergrößte Mehrheit der Leser in überraschender Weise.
Ein überaus gelungener amerikanischer Krimiklassiker des Golden Age, für den man sich viel Zeit nehmen sollte, damit man die fein dosierte, subtile Spannung, die Mary Roberts Rinehart so perfekt auf jeder Seite aufzubauen versteht, erst richtig genießen kann.
Hoffentlich lässt uns der Dumont Verlag noch viele weitere Klassiker von Mrs. Rinehart auf Deutsch zukommen.

Kathrin Hanik