Michael Kiesen
Der nackte Sohn
Pendragon TB
In einer scheinbar intakten Familie geschieht ein Mord, der die Fassade, hinter der sich die Familienmitglieder verborgen haben, sprengt.
Rezension:
Compuexe
ISBN 3-934872-42-5
Jan, der siebzehnjährige Sohn aus dieser Familie, und sein Freund René stellen sich der anhaltenden Bedrohung und geraten auf einen Trip von sex and crime. Vieles von dem, was bisher im Lot gewesen zu sein schien, beginnt zu wanken. Sogar die Freundschaft bekommt wegen des nach allen Seiten gebotenen Misstrauens Risse.
Und der Versuch, die Frage zu lösen, welches Phänomen sich hinter den anhaltenden Ausbrüchen von Gewalt verbirgt, wird zum Kampf ums Überleben. René schwingt sich zum Detektiv und Beschützer seines Freundes Jan auf. Dabei lehnt er sich an einen coolen Freund seines Vaters an, einen Rechtsanwalt. Der muss die Geschehnisse zunächst so hinnehmen, wie René sie ihm darstellt; er behält jedoch eine distanzierte Position bei, die es ihm ermöglicht, die bohrende Frage zu stellen, ob seine beiden sympathischen Schützlinge gar bad boys sind.
Allmählich erfassen die Ereignisse auch den Rechtsanwalt, besonders übers Internet und durch Auftritte von Neonazis. Und es wird immer rätselhafter, ob die Vorfälle echt oder inszeniert sind. Trotz aller Widrigkeiten genießen René und Jan ihr Jungsein und das Leben in Stuttgart, obwohl sie jederzeit in eine Falle ihrer unsichtbaren Feinde oder der Polizei tappen können.
Man könnte "Der nackte Sohn" auch leicht fürs Fernsehen verfilmen, es wäre der ideale Stoff für eine etwas längere Derrick-Folge. Ein Mord in einem Umfeld, das für diese Art Krimi immer typisch war.
Eine schöne Villa, ein erfolgreicher Unternehmer, eine jüngere Frau mit dem dazugehörigen Stiefsohn, gehobenes Ambiente und vor allem, jede Menge Geld. Die Story wird leicht und locker erzählt, besitzt allerdings nicht allzuviel kriminellen Tiefgang.
Es fehlt auf Dauer einfach die nötige Spannung.
Etwas verwirrend ist auch die Ich-Erzählform von zwei verschiedenen Beteiligten.
Im Prinzip geht es um den hübschen Stiefsohn Jan, knapp 17 Jahre alt, der mit seinem Freund René, ebenfalls 17 und auch gut aussehend, das lockere Leben eines reichen Sohnes in Stuttgart genießt. Diese beiden geraten plötzlich in Verdacht, als der eben genannte Unternehmer durch einen gemeinen Meuchelmord ums Leben kommt.
Bis dahin wäre "Der nackte Sohn" wie gesagt, nichts weiter als ein mittelmäßiger Krimi mit vorhersehbarer Handlung.
Aber da ist noch dieses Tabuthema, die Sache mit dem Vater und seinem Stiefsohn.
Und dann wollen wir Erdal, den jungen Türken nicht vergessen, der angeblich ein Geschlechtsteil wie einen Ast haben soll. Er spielt bei den sexuellen Vorlieben des Unternehmers eine große Rolle.
Genauso eine große übrigens wie bei den sexuellen Aktivitäten der Mutter.
Bei deren Aktivitäten würde wiederum Dr. Seiler, der Prokurist der Firma, gerne eine größere Rolle spielen.
Man sieht also, "Der nackte Sohn" ist ein klein wenig mehr als nur eine einfache Derrick-Folge.
Schließlich sind auch die Polizisten nicht mal im entferntesten mit Derrick und seinem Assistenten zu vergleichen. Und es fehlt auch dieser typische Satz, an dem man jede zweite Derrick-Folge erkennt:
Er ist tot?
Tot, sagen Sie?