Das Buch direkt bei Amazon bestellen Boris Meyn
Der eiserne Wal

rororo TB
ISBN 3-499-23195-6

Hamburg im schwülen Sommer 1862:
Windstille hält die großen Segler fest, die Stadt ist voller Auswanderer, und in der Bürgerschaft streitet man über das Großprojekt Hafenausbau. Zudem kursieren Gerüchte, rund um ein abgeschiedenes Werftgelände gehe es nicht mit rechten Dingen zu.
Ein Mord ruft schließlich Commissarius Bischop auf den Plan. Er weiß nicht, dass auch sein Sohn Sören bei den Werften herumstreunert und sich dabei in höchste Gefahr begibt.

Rezension:
Für Landratten gibt es glücklicherweise ein Glossar der wichtigsten Begriffe aus Schiffsbau und Schifffahrt - damit fühlt man sich schon einmal gut bedient, wenn von Gaffelsegel, Helling und Kielschwein die Rede ist.
Über die historischen Karten des Hamburger Hafens im Mittelteil hinaus wäre vielleicht auch noch ein etwas umfassenderer Plan der Stadt und ihrer Hafenanlagen hilfreich - schließlich geht es hier um Grundstücksspekulation, öffentliche Investitionen und Durchstechereien zwischen Wirtschaft und Kommune. Also alles genau wie heute - das ist die Essenz, die Boris Meyn in seinem sauber recherchierten Historien-Krimi zieht.
Der Tod eines englischen Ingenieurs am Hafen ist für Commissarius Bischop der Anlass, tief in die Verwicklungen und Verstrickungen der Hamburger Stadtverwaltung mit ihren verschiedenen Deputationen einzudringen. Es geht ganz offenbar beim aktuellen Hafenausbau um Millionengeschäfte:
Wer liefert die neuen Dampfkräne zum Entladen (die - nebenbei erwähnt - den Schauerleuten die Arbeitsplätze kosten), wer stellt die Grundstücke für den Hafenausbau und was ist von dem Angebot der privaten Eisenbahn-Aktiengesellschaft zu halten, die gern ein ganzes Ladekai gemeinsam mit den Schiffslinien betreiben möchte?
Hamburg 1862 - das ist eine selbstbewusste Stadt, bestrebt, sich gegen Preussen abzugrenzen und gute Geschäfte zu machen: Mit der Fracht und mit den Auswanderern, die zu tausenden auf den Zwischendecks über England nach Amerika wollen.
Die Morduntersuchung des Commissarius Bischop ist dabei ganz deutlich nur der rote Faden, auf den Boris Meyn seine Schilderungen des historischen Hamburg auffädelt.
Das ist für den reinen Krimi-Liebhaber oder für den Fan der bunten Hamburg-Historien von Petra Oelker sicherlich unbefriedigend. Zumal der Roman mit seinem Commissarius Bischop noch nicht einmal mit einem lebensprallen Helden dienen kann: dieser Ermittler ist - historisch sicherlich gerechtfertigt - ein Kleinbürger, aus dessen Einfamilienhaus- und Vorstadtidylle sich kaum dramatische Funken schlagen lassen. Oder vielleicht doch - in einem weiteren Roman?

Reinhard Jahn