Das Buch direkt bei Amazon bestellen William L. DeAndrea
Im Netz der Quoten

Original: Killed in the Ratings
(1. Band Matt Cobb)
DuMont TB
ISBN: 3-7701-5250-6

Matt Cobb, trouble-shooter beim Fernsehnetwork NethQ, gerät selbst in Bedrängnis: der Mann, der ihn zu einem Treffen in ein Hotel bestellt hat, ist tot und die Polizei taucht umgehend am Tatort auf. Welche Informationen über den tragischen Unfall des Network-Programmdirektor Walter Schick hatte der Unbekannte?
Matt Cobb gräbt weiter nach und entdeckt, dass es um die Ermittlung der Einschaltquoten geht. Und um einen Machtkampf in der Führungsspitze des Senders, zwischen dessen Fronten er geraten ist.

Rezension:
Fernsehen ist Krieg - Krieg um Einschaltquoten. Das weiß Matt Cobb natürlich auch, aber so deutlich wie in dem Moment, in dem er neben einer Leiche in einem Hotelzimmer steht, ist ihm das noch nie klar geworden. Cobb ist der trouble-shooter des TV-Networks, der Mann für die kleinen schmutzigen Sachen: wenn der Star der erfolgreichen TV-Soap mit Drogen erwischt wird, wenn der Nachrichtenmann Schwierigkeiten mit irgendeinem Senator hat, dann ist es sein Job, das wieder hinzubiegen. Er glättet die Wogen, redet mit der Polizei, bezahlt Zeugen, damit sie vergessen, mit welchen Damen der Star aufs Zimmer gegangen ist und sorgt dafür, dass die schöne Fernsehwelt so heil bleibt, wie wir Zuschauer sie lieben.
Der Tote im Hotelzimmer war Angestellter der Firma, die die Zuschauerquoten ermittelt - nach einem objektiven und nicht manipulierbaren Verfahren. Glaubte man bis jetzt. Doch offensichtlich hatte der Mann doch einen Dreh gefunden, um der einen Serie mehr Zuschauer zuzuschanzen als der anderen. Damit war er indirekt verantwortlich für das Aus von "Harbor Heights" einem Prestige-Projekt des Senders, das eine Schlüsselrolle im Machtkampf der beiden Kronprinzen um den Sitz des scheidenden Networkchefs spielte.
Ein Medienszenario also, mit dem sich William L. Andrea schon 1978 beschäftigt hat, also lange bevor die fitten Medienmenschen etwa den deutschen Kriminalroman erobert hatten. Ein Medienszenario allerdings, das sich der Muster seines TV-Settings bedient, um seine Geschichte zu erzählen: "Im Netz der Quoten" ist keineswegs ein aufklärerischer Roman über das Fernsehgeschäft, sondern ein klassischer whodunnit nach dem Schema von "Murder she wrote".
Die manipulierten Quoten sind der MacGuffin, der Auslöser der Geschichte, aber nicht das zentrale Motiv. Da bleibt DeAndrea bei den klassischen Zutaten: Geldgier und verratene Liebe, Spielschulden und Konkurrenzkampf sind die Emotionen, die die Verdächtigen treiben. Und Matt Cobb schließlich ist ein bisschen Mike Hammer und ein bisschen Philip Marlowe, ein Aufklärer, der das System, für das er arbeitet, nie in Frage stellt. Aber eh man jetzt lamentiert, dass bei all diesen Ansätzen eine Chance für den großen medienkritischen Krimi des 20. Jahrhunderts vertan wurde, sollte man besser auf dem Teppich bleiben und die Sache so sehen, wie sie ist: Unterhaltung aus der Unterhaltungsbranche.

Reinhard Jahn