Das Buch direkt bei Amazon bestellen Petra Hammesfahr
Belás Sünden

rororo TB
ISBN 3-499-23168-9

Lisa Szabo hat alles, wovon eine Frau träumen kann. Erfolg als Schriftstellerin, eine hoch begabte Tochter, einen hinreißenden Ehemann. Nur sie selbst weiß, wie sehr der schöne Schein trügt.
Als dann ein Toter vor ihrem Bett liegt, könnte man glauben, dass sie sich wie ihre eigenen Romanheldin an Belá gerächt hat. Aber vielleicht sollte die Polizei einen Blick in Lisas neues Manuskript werfen, um zu verstehen, dass hinter diesem Mord ein viel schrecklicheres Geheimnis steckt als Belás Sünden.

. Rezension:
Dass sie die Meisterin das ersten Satzes ist, beweist Petra Hamemsfahr auch diesmal wieder: "Als in meinem Schlafzimmer geschossen wurde, war ich unterwegs zwischen Koblenz und Bonn." Die Frau, die das schreibt, ist Lisa Szabo, angehende Bestsellerautorin, auf der Rückkehr von einem Besuch bei ihrem Verleger nach Hause in das Restaurant, das sie mit ihrem Mann Belá führt.
Eine Schriftstellerin also als Erzählerin eines Romans, Erzählerin ihres eigenen Falles - das könnte Anlass sein für trickreiche Spielereien mit Erzählperspektiven, Schein und Sein, Wahrheit und Wirklichkeit geben - mit einem Wort: für ein hochartifizielles Literaturprodukt. Doch nichts davon bei Petra Hammesfahr - obwohl es im Lauf der Geschichte dann doch darum geht, wie sich das wirkliche Leben in Lisa Szabos geschriebenen Geschichten spiegelt - und wie die Geschichten wiederum ihr Leben beeinflussen.
Die Frage, wieweit Lisa Szabos Lebensgeschichte sich mit der Biographie von Petra Hammesfahr deckt, stellt sich spätestens angesichts einiger Einblick, die Autorin selbst in einigen Interviews über den Anfang ihrer Karriere gegeben hat - aber niemand sollte erwarten, dass diese Frage auch nur ansatzweise beantwortet wird. Oder vielleicht doch? Schließlich vereinigt "Bélas Sünden" wieder einmal wie in einem Schatzkästlein die zentralen Motive von Hammesfahrs bisherigen Romanen: Die brüchige Fassade gut- oder kleinbürgerlicher Lebensentwürfe, obsessive Sexualität und Sehnsucht nach Liebe (oder umgekehrt), der Zerfall von Familien - mal als Königsdrama und mal als seichte Talkshow-Performance.
Lisa Szabo ist dabei eine von Hammesfahr starken Frauenfiguren, ein Mädchen vom Dorf, das sich in eine erste unglückliche Ehe flüchtet, sich dann in der Großstadt als Geliebte des Nachbarn bescheidet und schließlich dem ebenso schwermütigen wie leichlebigen ungarischen Musiker Béla verfällt. Mit und bei ihm sieht sie endlich ihre Chance auf ihren Anteil am großen Glück.
Aber dann wird - wie im ersten Satz gesagt - in ihrem Schlafzimmer geschossen, während sie im Zug zwischen Koblenz und Bonn unterwegs ist. Dass Hammesfahr aus dem ersten Satz spielend die Spannung für fast die Hälfte des Roman saugt, ist einerseits ein Meisterstück, andererseits aber auch ein dramaturgischer Taschenspielertrick, mit dem zumindest ihre eingefleischten Fans irgendwann rechnen, weil sie wissen, dass bei dieser Autorin das meiste nie so ist, wie es scheint und alles mit einem Satz spielend ins komplette Gegenteil verkehrt werden kann.
Genau das passiert schließlich auch Lisa, nachdem sie sich durch den Mord, der in ihrem Schlafzimmer passiert ist, plötzlich wieder mit den dunklen Flecken in ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert sieht. Das ist der Punkt, ab dem ihre Geschichte als eine Studie obsessiver Verwirrung zu lesen ist.

Reinhard Jahn