Das Buch direkt bei Amazon bestellen Andrew Wilson
Schöner Schatten

Original: Beautiful Shadow. A Life of Patricia Highsmith
Berlin Verlag gebunden
ISBN 3-8270-0517-5

„Jeder Erwachsene hat Geheimnisse“, sagt eine der Figuren in Patricia Highsmiths 1952 erschienenem Roman „Carol“. Dieser Satz traf in hohem Maße auch für die Autorin zu. Zeit ihres Lebens vermied sie Fragen nach ihrem Privatleben und nach den Vorbildern ihrer Romanfiguren.
Bereits als Kind fühlte sie sich als Außenseiterin. Ihre Eltern ließen sich vor ihrer Geburt 1921 scheiden, und ihren leiblichen Vater lernte sie erst mit 12 kennen. Ihr Leben lang fühlte sie sich zu Frauen hingezogen, am meisten aber liebte sie Katzen und Schnecken.
Ihr wahres Glück fand sie jedoch jenseits ihrer Lebensrealitäten in ihrer Fantasie, die sie in ihrem umfangreichen schriftstellerischen Werk verwirklichte. „Ich weiß, warum ich zu schreiben begann: um ein Gefühl von mir selbst zu bekommen, es auf Papier gedruckt zu sehen, so realistisch wie nur irgend möglich.“
Dabei faszinierten sie vor allem kaltblütige und abgründige Figuren wie Tom Ripley, seine Ambivalenz und Amoralität.
Patricia Highsmith hinterließ nach ihrem Tod 1995 ein umfangreiches Privatarchiv mit Tagebüchern, Briefen und Notizen. Durch dessen Auswertung und in zahlreichen Gesprächen mit Freunden und Geliebten der Autorin gelang es Andrew Wilson, auf spannende Weise die Geheimnisse der Autorin, ihre Affinität zu ihren ambivalenten Figuren und die Wurzeln ihres kreativen Schaffens aufzuklären.

Rezension:
Warum lesen wir Biografien? Weil wir hinter die berühmte Persönlichkeit schauen wollen, wenn möglich in ihre geheimsten Gedanken und Träume und wenn es sich wie hier um eine Schriftstellerin handelt, wollen wir auch erfahren, ob ihre Romane etwas mit ihrem Leben zu tun hatten, oder ob sie ganz und gar erfunden waren...
Im Idealfall ist so eine Biografie spannend wie ein Roman, wie diese hier: Andrew Wilson, der die 1995 verstorbene Schriftstellerin Patricia Highsmith nicht mehr persönlich kennen lernte, aber eine Menge ihrer engsten Freundinnen interviewte und sämtliche Dokumente aus dem Nachlass gesichtet hat, schafft dieses Kunststück auf mehr als 600 Seiten, inklusive vieler Schwarz-weiss Fotos.
Patricia Highsmith wurde 1921 in Texas geboren, gestorben ist sie in der Schweiz. Mit zwölf beeindruckt die schüchterne Patsy das erste Mal ihre Klassenkameraden, mit ihrem Aufsatz: „Wie ich meine Sommerferien verbracht habe“ und merkte zum ersten Mal, dass sie Freude durch eine Geschichte weitergeben konnte. Es war eine Art Magie, aber sie ließ sich erzeugen, und ich hatte sie erzeugt.
In diesem Alter liest sie auch das erste Mal "The Human Mind" von Karl A. Menninger, einem detaillierten Bericht über „abweichendes Verhalten wie Kleptomanie, Schizophrenie und Pyromanie“, darin steht auch etwas über Homosexualität bei Frauen. Schon mit Beginn der Pubertät fühlt sich Highsmith zu Frauen hingezogen, trotzdem versucht sie mit einem Mann zu schlafen und verlobt sich sogar. Doch ihre Musen und Geliebten waren bis zu ihrem Tod Frauen. Fast jede ihrer Geschichten ist von einer dieser Frauen inspiriert, am stärksten „Carol“, für die es ein reales Vorbild gab, ein Roman um die lesbische Liebe.
Berühmt geworden ist Patricia Highsmith durch einen Mann: Tom Ripley, den Protagonisten der gleichnamigen Romane. Zeitlebens hatte sie - wie die Romanfigur Ripley - den Drang zur Selbstauslöschung: Magersucht, Alkohol, besonders in "Der talentierte Mr. Ripley".
In ihren Notizbüchern gab es die Abteilungen: Zitate, Orte, Leute und Keime und ihre Tagebücher benutzte sie um sich vom Tumult ihres privaten Lebens zu entlasten. 1991 wurde sie für den Nobelpreis nominiert, bekommen hat ihn Nadine Gordimer.
Es ist der Psychopath in uns allen, der das Lesen der Romane von Patricia Highsmith so spannend macht, heute sind ihre Bücher Klassiker.
Sehr lebendig schildert Andrew Wilson den zeitgeschichtlichen und politischen Hintergrund, darin eingebettet die Entstehungsgeschichten der Kurzgeschichten und Romane.
Highsmiths beste Freundin schenkte dem Biografen den Morgenmantel der Schriftstellerin. Andrew Wilson schlüpfte hinein, band die Kordel und begann über eine Frau zu schreiben, die ihm bei seinen Recherchen bereits in den Träumen erschienen war.
Und es ist ihm großartig gelungen! Dank auch den Übersetzern: Anette Grube und Susanne Röckel.

K. Ara

 

Gastrezension(en):


Name: Ludger
Email: webmaster@der-buecherfreund.de
Datum: 3.11.2003 (18:26)

Der Einschätzung von Eurer/Eurem Rezensent/in möchte ich widersprechen. Wilsons Highsmith Biografie ist in weiten Teilen ein langweiliges Buch. Der Journalist Wilson hatte zwar Zugang zu dem Nachlass der Autorin, allerdings scheint er der Fülle des Materials nicht gewachsen zu sein. Wichtiges steht neben Nebensächlichem, seitenweise werden Highsmiths (lesbische) Liebschaften aufgelistet, die zwar sicher eine Bedeutung für ihr schriftstellerisches Werk hatten, da aber Ms. Highsmith zumindest in ihren Jugendjahren promiskutiv veranlagt war, muss ich nicht wirklich jede Bettgeschichte um die Ohren gehauen bekommen.
Bei der Vorstellung einzelner Werke löst sich Wilson kaum aus dem zeitgeschichtlichen Kontext. Sicher, auch dieser ist wichtig, aber neuere Interpretationsansätze zum Werk fallen bei ihm unter den Tisch. Sein Schreibstil ist nüchtern und aufzählend, oftmals klatscht er ein Zitat an das nächste und ermüdet einfach nur.
Noch grausliger sieht es mit der deutschen Übersetzung aus, die zum Teil einfach schlampig ist oder nicht vernünftig lektoriert wurde. Besonderer Fauxpas: Das Register der englischen Ausgabe wurde für die deutsche Übersetzung kräftig zusammengestrichen, was die Suche nach Querverweisen erheblich verschlechtert. Eine eigenständige Bibliografie fehlt sowohl in der englischen als auch in der deutschen Ausgabe. Diese Biografie kann wirklich nur ein (schlechter) Anfang für eine breitere Highsmith-Rezeption sein. Jedes Nachwort von Paul Ingendaay, der zusammen mit Anna von Planta die neue Werkausgabe beim Diogenes-Verlag editiert und herausgibt, ist aufschlußreicher als dieses Biografie-Monstrum. Ludger http://www.der-buecherfreund.de