Das Buch direkt bei Amazon bestellen Bernhard Sinkel
Der dritte Sumpf

(2. Band Raoul Levkowitz)
dtv TB
ISBN 3-423-24502-6

CIA-Agent Gallagher stößt auf einen brisanten Punkt in der Biographie des Journalisten Raoul Levkowitz: Levkowitz und Ahmed bin Salim al-Amir, Sohn eines jemenitischen Scheichs, verband während ihrer gemeinsamen Zeit im Stasi-Kinderheim eine enge Freundschaft. Inzwischen ist al-Amir selbst Scheich seines Stammes und einer der meistgesuchten Terroristen der Welt.
Wegen des Verdachts, für Attentate auf ausländische Ölgesellschaften und zahlreiche Entführungen verantwortlich zu sein, wird al-Amir  vom amerikanischen Geheimdienst und von Spezialeinheiten der jemenitischen Regierung gejagt – und Levkowitz wird unwissentlich zur wertvollen Figur in einem tödlichen Spiel.

Rezension:
Zwei traurige Heimkinder – Blutsbrüder gar, eine schöne und mutige Frau – von Beruf Pilotin, eine groß angelegte Terroristenjagd ohne Rücksicht auf „Kollateralschäden“, abgebrühte Geheimdienstvisagen, die mit schmierigen Ex-Stasi-Offizieren zusammenarbeiten … welche bessere Mischung könnte es geben für einen rasanten Thriller, der den Leser atemlos durch gut 250 spannungsvolle Seiten hetzt?
So plastisch ist das Ganze beschrieben, dass das geistige Auge förmlich überflutet wird von all diesen Bildern, die das Gestern und Heute der Figuren wiedergeben – angefangen vom Fieberwahn des Protagonisten in einem durchgelegenen Hotelbett, über seine nächtlichen Bootstouren im Sommercamp der jungen Pioniere am malerischen Werbellinsee bis hin zu seiner verzweifelten Suche nach der Geliebten, verschollen in der jemenitischen Wüste.
Und während wir in Rückblenden die Gründe erfahren, warum ein junger deutscher Sportjournalist, mit finsteren Methoden manipuliert vom CIA, in einem arabischen Land bei einem Wettlauf gegen die Zeit versucht, seine amerikanische Freundin vor der Vollstreckung des Todesurteils durch ihre Entführer zu bewahren, müssen wir uns mehr als einmal den Gedanken gefallen lassen, dass die Westler nicht in jedem Fall die Guten sein müssen. Eine Überlegung, die gleich gefolgt wird von der Frage, was einen angehenden Kinderarzt dazu treibt, zum eiskalten Rächer zu werden, der skrupellos über Leichen geht und doch die hehren Ziele hat, sein Volk zu beschützen.
Natürlich ist es kein Zufall, dass Autor Bernhard Sinkel die Kunst der bildhaften Schilderung so tadellos beherrscht – ist der Mann doch als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur schon mit zahlreichen internationalen Filmpreisen bedacht worden. Und wer weiß, vielleicht hatte der geborene Frankfurter die Verfilmung schon beim Schreiben im Kopf.
Was der studierte Jurist allerdings nicht ahnen konnte, ist die brisante Aktualität, die sein Romanstoff in den letzten Tagen des Jahres 2005 erhielt. Denn nachdem Susanne Osthoff als erste Deutsche im Irak entführt (und wieder freigelassen wurde), fielen Ex-Diplomat Jürgen Chrobog und seine Familie im Jemen, also just jenem Land, das Sinkel als Schauplatz seiner Handlung gewählt hat, in die Hände eines Stammes, der auf diese Weise inhaftierte Stammesangehörige freipressen wollte. Der – zum Glück – gute Ausgang dieser Entführung lenkte den Blick der deutschen Öffentlichkeit auf ein Land, das von Familienclans regiert wird und in dem Kidnapping als durchaus probates Mittel gilt, um Forderungen der verschiedensten Art durchzusetzen: Ganz egal ob es um den Bau von Straßen bzw. Schulen oder um den Erhalt von Waffen oder Geländewagen für die Stammesführer geht.
Gleichzeitig gehen aber auch immer wieder Berichte ein über Trainingscamps internationaler Terroristen – und dann hat es schnell ein Ende mit der Wildromantik des für seine Gastfreundschaft bekannten Landes der Königin von Saba.
Die Wüstensöhne, die Bernhard Sinkel in seinem packenden Thriller als die lebendig gewordene Bedrohung für den Westen zeichnet, sind wohl eine Mischung aus beidem. Grausam in ihrer tödlichen Unerbittlichkeit und doch faszinierend. Und der „Vater des Entsetzens“ ist beileibe nicht die finsterste Figur in diesem Kampf von „Netzwerk gegen Netzwerk, in dem alle Mittel erlaubt sind. Im Namen Allahs oder im Namen der Freiheit …“

Miss Sophie