Das Buch direkt bei Amazon bestellen Wolfgang Schorlau
Das dunkle Schweigen - Denglers zweiter Fall

Kiepenheuer & Witsch TB
ISBN 3-462-03614-9

»Es geht um eine Erbschaftssache«, sagt Robert Sternberg. Er beauftragt den Privatermittler Georg Dengler, Licht in eine merkwürdige Familienangelegenheit zu bringen. In den Unterlagen seiner verstorbenen Mutter hat er einen Vertrag von 1947 gefunden, in dem sein Großvater das alte Schlosshotel in Gündlingen an die Familie Roth überschreibt. Ohne erkennbare Gegenleistung.
»Vielleicht können wir den Kontrakt rückgängig machen«, sagt Sternberg. Der Notar, der den Vertrag damals beurkundete, lebt noch. Er rät Georg Dengler von weiteren Nachforschungen ab. »Lassen Sie die Dinge auf sich beruhen«, sagt er, »es bringt kein Glück, alles wieder ans Tageslicht zu zerren«.
Dengler befragt mögliche Zeugen in dem kleinen Ort – und stößt auf eine undurchdringliche Mauer des Schweigens.
Schicht für Schicht enthüllt er die Lügen um ein unfassbares Verbrechen in den letzten Tagen des Krieges. Und als er der Wahrheit ganz nahe ist, eröffnen Unbekannte die Jagd auf ihn ...

Dieser Roman erhielt den Deutschen Krimi-Preis 2006 (3. Platz – Kategorie „national“).

Rezension:
Den Auftakt bildet der große Bombenangriff auf Bruchsal am 1. März 1945.
Das Grauen des Krieges, es wird in der fast dürren Beschreibung so greifbar, dass es dem Leser die Kehle zuschnürt. Menschen, die von Trümmern getroffen werden, solche die verbrennen oder einfach in irgendeinem Keller ersticken.
Warum der Autor diesen Prolog an den Anfang seiner 78, teilweise extrem kurzen Kapitel stellt, deren Überschriften sich praktischerweise immer am ersten Satz orientieren, das erfährt der Leser erst nach und nach in diesem spannend geschriebenen und klug ausgedachten Roman, der kein Politkrimi ist und auch kein Psychothriller – obwohl einige der enthaltenen Elemente sehr wohl in die eine oder andere Kategorie passen könnten.
Gut 50 Jahre trennen die beiden Ebenen, zwischen denen der Autor gekonnt hin und her springt.
Figuren werden lebendig, die liebevoller nicht gezeichnet sein könnten: Vom schwarzen Piloten aus der Vergangenheit bis zum verklemmten und teilweise so verspielten Erfinder und dessen resoluter Schwester.
Und mitten drin der Held – zuweilen von eher trauriger Gestalt (und das bereits in jungen Jahren als mutmaßlich Schuldiger am Tod des eigenen Vaters und fast krimineller Realschüler in Freiburg) –, dessen Markenzeichen der doppelte Espresso ist: Von der Ehefrau lebt er getrennt, das Kind wird ihm vorenthalten, die Freundin macht schriftlich Schluss und zu allem Überfluss muss er auch noch um seine kranke Mutter bangen. Ein Schwarzwälder Ex-Bergbauernbub, der seine neue Heimat unter den Stammgästen seiner Lieblingskneipe mitten in der Stuttgarter Altstadt gefunden hat. Hier, in einem der typischsten und buntesten Viertel der Stadt, trifft er sich mit seinen Klienten und zieht nach getaner Arbeit seine Schlussfolgerungen im Kreis der Freunde.
Diese – der Schriftsteller genauso wie die Ex-Diebin mit den beiden gleich langen Fingern oder der Wirtschaftsjournalist, der für ein Bier schon mal den Informanten gibt - sind so echt und menschlich, dass sie einen erfrischenden Gegenpol bilden zu all den vielen undurchsichtigen Figuren, denen man nicht auf den ersten Blick ansieht, zu welcher Fraktion in dieser geheimnisvollen Geschichte sie gehören.
Hartz IV und halb-illegale Razzien bei Sozialhilfeempfängern, eine dekadente Party bei „Milliardärs“, nicht zu vergessen der Abstecher des Blues-Liebhabers nach Chicago … und immer wieder das Schicksal des abgeschossenen Fliegers und die Ermittlungen rund um die Ereignisse jener Tage verflechten sich zu einer durch und durch spannenden, zuweilen ausgesprochen witzigen Handlung mit viel Lokalkolorit.
Wie schon im ersten Dengler-Band „Die blaue Liste“ (dessen Lektüre zwar angeraten, nicht aber unumgänglich ist, um die Zusammenhänge zu verstehen) gelingt es Schorlau, Dichtung und Wahrheit zu einer packenden Geschichte zu verflechten. Reale Ereignisse bilden den Aufhänger für ein wirklich dunkles Blatt der ohnehin schon düsteren Geschichte im Deutschland der Vierziger Jahre. Braune Vergangenheit – hässliche Vergangenheit. Viele, zu viele, die schwiegen – und es noch immer tun. Aus Angst oder weil sie zu schwach waren, sich gegen eine Übermacht zu wehren, den Mund aufzumachen und gegen das zu protestieren, was sie selbst als Unrecht erkannten …
Ein Roman, der noch lange nachhallt – und Lust macht auf weitere Bände des Stuttgarter Privatdetektivs!

Miss Sophie