Das Buch direkt bei Amazon bestellen Magdalen Nabb Ulla Kösters
Eine Japanerin in Florenz

Guarnaccias dreizehnter Fall
Original: The Innocent
Aus dem Englischen von Ursula Kösters-Roth
Diogenes gebunden
ISBN 3-257-06524-8

Sie kam und blieb – um ein Stück florentinisches Handwerk zu erlernen. Die junge Japanerin Akiko war so stolz auf ihr erstes Paar selbstgefertigter Schuhe, daß sie es immerzu trug, auch am Tag ihres Todes.
Guarnaccia, der in Florenz stationierte Sizilianer, verfolgt den Fall in einer Stadt, die er kennt wie seine Hosentasche, und befragt ihre Bewohner, deren Charaktere und Intrigen er noch weit besser kennt.

Rezension:
Rasante Autoverfolgungsjagden, Schusswechsel und einen atemberaubenden Showdown, die sucht man in diesem Roman vergeblich.
Was man jedoch bekommt, ist ein Sittengemälde, wie es pointierter nicht sein könnte. Ein Sprung mitten ins pralle florentinische Leben. Ein Gefühl für die Menschen in den Gassen, die noch teilhaben am Schicksal der anderen, die lange brauchen, bis sie jemanden in ihr Herz schließen. Doch wenn sie es getan haben, dann stehen die Leute aus dem Quartiere zu ihren Freunden – egal, woher diese stammen mögen, egal, was sie vielleicht verbrochen haben …
Nabbs Maresciallo ist ein Mann in Uniform, ein Beamter der Carabinieri, jemand, der mitsamt seiner Familie in der Kaserne wohnt. Einer der mittags das selbst gekochte Essen seiner Frau zu Hause genießt – natürlich mit einem guten Glas Rotwein. Er ist für die kleinen Leute zuständig und ihre von anderen vielleicht sogar belächelten Sorgen: Eine Ehestreitigkeit zwischen Frau und Freundin eines Mitsiebzigers (beide ebenfalls schon hoch in den Sechzigern), eine gestohlene Handtasche, ein dreister Stromraub …
Doch weil er sich Zeit nimmt für „seine“ Leute, „sein“ Viertel noch persönlich zu Fuß durchquert, statt Mails zu schreiben oder einen Subalternen zu einer Befragung zu schicken, schenken ihm die Menschen ihr Vertrauen.
Menschen wie der Wirt der Trattoria, bei dem sich die Handwerker regelmäßig zum für sie erschwinglichen Mittagsmahl treffen und den die Konkurrenz des zugereisten Mailänders umso härter trifft, weil sein Lokal und die Kundschaft mehr sind als nur ein Job.
Menschen wie der Restaurator, der die liebevoll wieder hergerichteten Gegenstände viel zu billig verkauft, um Platz für neue Möbel zu haben, denen er ihre ursprüngliche Schönheit zurückgeben kann.
Menschen wie der jähzornige Schumacher, der seine Kunden vergrault und doch seiner jungen, talentierten Schülerin von ganzem Herzen zugetan ist …
Inmitten all dieser Figuren spielt die Handlung, die erst so leichtfertig daher kommt, um dann zu einer tragischen, weil sehr persönlichen Angelegenheit zu werden.
Denn schnell hat der Leser all die unterschiedlichen Charaktere mit ihren Macken und Eigentümlichkeiten ins Herz geschlossen und mag fast nicht glauben, dass einer von ihnen einem jungen Mädchen das Leben genommen hat.
Und im Handumdrehen hat sich auch der Guarnaccia-Neuling mit dem Geschehen rund um die aus Sizilien stammende Hauptfigur vertraut gemacht – dafür sorgen sowohl die Rückblenden als auch die immer wiederkehrenden Einblicke in die Vergangenheit des Helden, an die er sich, wenn es sich aus der Situation ergibt, sporadisch erinnert.
Am Ende dieser zeitweise ausgesprochen komischen, dann wieder unendlich traurigen Geschichte, in der Liebe, Freundschaft, Familie und auch Geld eine wesentliche Rolle spielen, bleibt nichts, wie es war. Zwar ist das Finale im Kreis seiner Lieben für den Maresciallo ein tröstliches, aber ein wenig Melancholie ist doch dabei.

“Leben ist das, was mit uns passiert, während wir etwas ganz anderes planen.“ sagt der junge Santini.
Einen erdachten Mann mittleren Alters zutiefst ins Herz schließen, ist das, was mit dem Leser passiert, während er einfach nur eine unterhaltsame und spannende Krimilektüre erwartet (und auch gefunden) hat – sagt …

Miss Sophie