Das Buch direkt bei Amazon bestellen Faye Kellerman
Und da war Finsternis

Original: Straight into Darkness
Aus dem Amerikanischen von Susanne Aeckerle
C. Bertelsmann gebunden
ISBN: 3-570-00930-0

München 1929:
In der von den Nazis aufgeheizten Atmosphäre wird im Englischen Garten eine Frauenleiche gefunden – vergewaltigt und erdrosselt.
Die Mordkommission um Inspektor Axel Berg hat das Opfer schnell identifiziert: Anna Gross, Ehefrau des reichen Juden Anton Gross.
Bergs Vorgesetzten passt diese Spur allzu gut in die eigenen Aufstiegspläne. Berg soll den Ehemann wegen Mordes an seiner Frau verhaften. Doch Berg sträubt sich.
Eine weitere Frauenleiche, in gleicher Art umgebracht, wird entdeckt und nährt den Verdacht, ein Lustmörder sei am Werk. Trotzdem soll Anton Gross als Mordverdächtiger verhaftet werden.
Berg, der bei den Opfern inzwischen Hinweise auf einen geheimnisvollen Mann gefunden hat, weigert sich zunächst, wird dann aber gezwungen, Annas Gatten festzunehmen, dabei wird Gross von aufgebrachten jugendlichen NS-Anhängern gelyncht, Berg verletzt.
Aufgrund der Pogromstimmung fürchtet Berg um die Sicherheit seiner Geliebten Margot, einer Hure und Jüdin, die pikanterweise auch ein Verhältnis mit Bergs Chef Martin Volker hat.
Die Zahl der ermordeten Frauen steigt, und das schürt den Antisemitismus.
Auch das Stundenhotel Margots wird überfallen, sie selbst vergewaltigt. Kommissar Volker erscheint in letzter Minute, kann das Schlimmste verhindern.
Doch dann findet Berg Margot erschossen im Treppenhaus. Als er völlig aufgelöst in seine Wohnung kommt, erwartet ihn der Mörder …

Rezension:
Ihre Lazarus-Decker-Romane sind legendär und haben zu Recht eine große Fangemeinde. Daher zuerst die schlechte Nachricht: Kein Auftritt des Clans ist in „Und da war Finsternis“.
Doch nun kommt die gute Nachricht: Faye Kellerman hat sich dennoch selbst übertroffen – und ihren deutschen Fans ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Ein Buch, das komplett und ausschließlich in München spielt, mit Protagonisten, wie sie deutscher nicht sein könnten.
Die Zeit, zu dem die amerikanische Erfolgsautorin die Handlung ansiedelt, ist historisch außerordentlich bedeutsam, steht sie doch schon völlig im Zeichen der düsteren Jahre, die bald folgen werden – obwohl „der Österreicher“ noch keine offizielle Macht hat.
Die Protagonisten, die sie geschaffen hat, passen perfekt in diese Zeit und sind von großer Authentizität. Nicht edel, hilfreich und gut, aber zutiefst menschlich. Einige sind kalt, berechnend und grausam. Andere „nur“ beeinflussbar, bestechlich, schwach und verletzlich. Und doch fasst der Leser eine gewisse Zuneigung zu ihnen. Wie zur Hauptfigur Martin Berg. Der zweifache Vater ist nicht der Prototyp eines korrupten Bullen, aber zuweilen durchaus geneigt, etwas in die eigene Tasche zu stecken. Ein Mann, der seine Kinder liebt und seine Frau betrügt, der die Ordnung schätzt, aber den „Österreicher“ und seine Anhänger verachtet. Ein Mensch, der nach der Wahrheit sucht und Gerechtigkeit will und doch nicht davor zurückschreckt, selbst Ungeheuerliches und Unvorstellbares zu tun.
Berg hat es nicht leicht bei seinen Ermittlungen – im Dienst wird er halb zu Tode geprügelt, nachdem auch sein Vorgesetzter nicht eben zimperlich mit ihm umgegangen ist.
Während er die Puzzleteile zusammensammelt, was eine schwangere Judengattin, eine Kommunistin, eine schöne jüdische Schneiderin und eine urbayerische arme Frau so verbindet, dass sie alle grausam sterben mussten, wird das Klima in München immer heißer und die Massen immer unkontrollierbarer.
Wie Kellerman die Atmosphäre beschreibt, in der Isarmetropole Anno 1929, das ist von unglaublicher atmosphärischer Dichte, das zieht den Leser mitten hinein ins beklemmende Geschehen.
Wie man selbst in diesen Zeiten in einer solchen Situation gehandelt hätte – man weiß es nicht und wird es nie wissen. Schon allein das ist etwas, was den Leser noch lange Zeit nach Beendigung der Lektüre beschäftigt.
Spannend für die deutschen Fans auch die Danksagungen: Die Liste derer, die Faye Kellerman hier nennt – u.a. Regula Venske, Sabine Deutmer, Robert Hültner, Rudolf Herfurtner, Heinrich Prinz … - umfasst viele wohlbekannte Namen von Autorenkollegen.
Das Ende des Romans ist unbegreiflich und doch nur logisch: Loyalität und Freundschaft stellen sich als Luxus heraus, den man sich in manch dunklen Zeiten nicht leisten kann. Ebensowenig wie den Wunsch, die Wahrheit ans Licht zu bringen, und dabei eventuell Menschen bloßzustellen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Ob dies heute leichter ist? Man möchte es gern hoffen und glauben …
Was aber sicherlich fest steht: Dies ist ein Roman, den man so schnell nicht vergisst! Unbedingt lesen!

Miss Sophie