Charlotte Link
Das Echo der Schuld
Blanvalet gebunden
Minutenschnell sinkt ein Segelboot nach der Kollision mit einem Frachter vor der Isle of Skye, Meilen vor Schottlands wilder Küste. Ihr Leben ist alles, was die deutschen Aussteiger Livia und Nathan Moor noch retten können.
Rezension:
Miss Sophie
***
Man kann es ganz einfach sagen:
Die Protagonistin, Mutter einer kleinen Tochter, wohnt - wie es scheint - glücklich und zufrieden mit ihrem Ehemann in einem schönen Haus. Sie lebt sehr zurückgezogen, begründet auch durch Panikattacken, die sie in Gesellschaft sehr unsicher werden ließen.
Ohne zuviel verraten zu wollen, handelt es sich hier um einen ganz wunderbaren, einfühlsamer Roman, wenngleich das beherrschende Thema ein überaus schreckliches ist (verschwundene Kinder).
Dago
ISBN 3-7645-0231-2
Virginia Quentin und ihr Mann nehmen die Schiffbrüchigen in ihrem Ferienhaus auf. Nathan, der sich über alle Regeln des Anstands hinwegsetzt und ihr ungebeten in das düstere Zuhause in Norfolk folgt, stößt die verschlossene Virginia anfangs ab.
Doch es ist auch Nathan, dem es gelingt, sie am einzigen Punkt zu berühren, an dem Virginia in ihrer Einsamkeit empfänglich ist. Virginia öffnet sich ihm mehr als je zuvor einem anderen Menschen und erzählt ihm ihre Geschichte vom Echo der Schuld, das sie in jeder Sekunde ihres Lebens zu hören meint.
In einem kurzen Augenblick des inneren Friedens bricht das Entsetzen in die Gegenwart ein: Die kleine Kim, Virginias siebenjährige Tochter, kehrt von der Schule nicht mehr heim. Und bleibt spurlos verschwunden.
Ist sie vor der zerbrechenden Ehe ihrer Eltern geflohen? Oder ist sie Opfer eines Verbrechers geworden, der bereits zwei andere Mädchen getötet hat?
Zu ihrem Entsetzen muss Virginia feststellen, dass womöglich sogar Nathan etwas mit den schrecklichen Geschehnissen zu tun hat
Panikattacken in Menschenmassen und Gesellschaften nicht wirklich etwas, das man als Frau eines angehenden Unterhausabgeordneten dringend braucht.
Kein Wunder also, dass Virginia sich in ihrem einsam gelegenen Landhaus verkriecht oder liegt der Grund dafür doch tiefer?
So tief in ihrer eigenen Vergangenheit begraben, dass der Panzer um die Seele eines einst fröhlichen, wilden, abenteuer- und lebenslustigen Mädchens schon so dick geworden ist, dass keiner der Menschen, die die Enddreißigerin umgeben, nicht einmal der eigene Mann, wirklich zu ihr durchdringen kann.
Bis zu dem Tag, an dem der geheimnisvolle Fremde sich in ihr Haus und ihr Leben drängt. Rücksichtslos, egozentrisch, vom Stamme nimm und doch gleichzeitig unglaublich faszinierend ergreift Nathan, der nur noch das besitzt, was er am Leib trägt, wie selbstverständlich Besitz von Virginias Hab und Gut
und entlockt ihr ihre finstersten Geheimnisse.
Doch während hier eine Frau wissentlich-unwissentlich mit dem Feuer spielt, zerbrechen nicht unweit davon die Leben von zwei Familien.
Familien, die, nachdem sie am selben Morgen noch mit einem plappernden kleinen Mädchen am Frühstückstisch saßen, keine Nacht mehr schlafen können. Zunächst aus Sorge um ein verschwundenes Kind, danach aus grenzenloser Trauer und Verzweiflung über den Tod des eigen Fleisch und Blut.
Und der Leser weiß, was die Protagonisten nur ahnen und die Ermittlungsbeamten höchstens fürchten können, nämlich dass die Gefahr noch längst nicht vorüber ist
Beklemmend dicht die Darstellung der Figuren, die diesen Roman bevölkern auch wenn es tragische sind, wie etwa die Mütter der getöteten Mädchen, und längst nicht durch und durch edel, hilfreich und gut.
Doch vielleicht ist es ja gerade diese Authentizität, die für die Charaktere spricht und in der sich die Leser der Erfolgsautorin Charlotte Link wieder finden.
Welche Mutter hätte nicht schon völlig entnervt vom Gejammer und Gezeter eines schwer zufrieden zustellenden kleinen Trotzkopfs ein vielleicht ein wenig überzogenes Verbot ausgesprochen?
Welcher Vater würde sich dem Wunsch seiner heranwachsenden Kinder nach ein wenig mehr Selbständigkeit auf Dauer verschließen?
Welche Frau mit viel beschäftigtem Ehemann hätte nicht schon mit dem Gedanken gespielt, einfach auszubrechen, alles hinter sich zu lassen?
Sie nennen Charlotte Link zuweilen die deutsche Elizabeth George was sicherlich mit dem Erfolg und Bekanntheitsgrad der engagierten Tierschützerin zu tun hat.
Doch in Wirklichkeit ist die Frankfurterin viel näher dran an der natürlich nicht weniger bekannten Minette Walters, die mit ihren Psychothrillern regelmäßig spannende Unterhaltung mit einem oft verstörenden Sittengemälde der englischen Gesellschaft verknüpft.
Aber am ehesten wird man der gebürtigen Frankfurterin, die noch vor ihrem zwanzigsten Lebensjahr mit ihrem ersten Buch auf Anhieb einen Bestseller landete, dadurch gerecht, dass man sie als das sieht, was sie ist: Eine Frau, die seit gut zwanzig Jahren immer wieder Themen findet und Figuren schafft, die die Leser für fünfhundert, sechshundert Seiten in ihren Bann ziehen.
Eine Autorin eben, die beständig qualitativ hochwertige Bücher abliefert, mit tiefen Einblicken in die menschliche Psyche, einer zum greifen dichten Atmosphäre und Protagonisten, die man auch nach dem Ende der Lektüre lange nicht vergessen kann.
Darum ist Charlotte Link so einmalig genau wie ihre Romane.
Einen Roman von Charlotte Link kann man in die Hand nehmen, sich einschließen und hat ihn kurze Zeit später verschlungen.
Aber nein, das geht nicht, das wäre, sagen wir mal: Verschwendung.
So was muss man genießen, eintauchen und verschwinden aus der Gegenwart in die Geheimnisse der Menschen wie Du und ich. Häppchenweise, immer wieder eine kleine Pause einlegen und dann das nächste Kapitel wirklich genießen.
Es tritt ein Mann in ihr Leben, der von ihr lange verdrängte Ereignisse wieder an die Oberfläche bringt, was dazu führt, dass ihre Vergangenheit noch einmal Revue passieren lässt
Unbekümmertheit, Leichtsinn, gefühlte Verpflichtungen, Schuld und Unglück werden zum Thema.
Traurige Kinder, verzweifelte Mütter, überforderte Menschen, alles brillant und sehr eindrucksvoll beschrieben, wirklich ganz große Klasse!
Fazit: Ein MUSS für Krimi-Fans.