Das Buch direkt bei Amazon bestellen Joanne Harris
Das verbotene Haus

Original: Gentlemen and Players
Aus dem Englischen von Ursula Wulfekamp
List gebunden
ISBN: 3-471-79539-1

In der noblen englischen Schule St. Oswald’s geschieht Rätselhaftes: Wertvolle Gegenstände sind unauffindbar, ein Schüler verschwindet spurlos, ein anderer wird schwer verletzt.
Keiner weiß, wer der Täter sein könnte, alle Spuren führen ins Nichts. Nur ein älterer Lateinlehrer – von den Schülern geliebt, von den Kollegen als Fossil verachtet – ahnt, daß diese Zwischenfälle mit weit in der Vergangenheit liegenden Ereignissen zu tun haben könnten.
Der Lehrer schweigt, doch sein Geheimnis wird zur Gefahr: Jemand ist unter ihnen, der grausame Rache üben will für frühere Demütigungen, jemand, der schon einmal einen Mord begangen hat …

Rezension:
"Meine neue Persönlichkeit ist liebenswert, ohne aufdringlich zu sein, und sie kann gut zuhören - genau die Eigenschaften, die man zum Morden und Spionieren braucht."

Spionieren, Morden und vor allem Rache nehmen - das und nur das hat der Erzähler dieses Buches, der sich schlicht mit seinem Nachnamen "Snyde" vorstellt, im Sinn.
Er berichtet dem Leser aus seiner Kindheit, als er bei seinem Vater lebte, nachdem die Mutter die Familie verlassen hatte. John Snyde war Hausmeister an der Privatschule St. Oswald's, und mit der Erziehung seines Kindes überfordert. Seinen Kummer ertrank er in Alkohol.
Währenddessen machte "Snyde" sich auf, das verbotene St. Oswald's zu erforschen und zu erkunden - mit gestohlenen Schlüsseln und Schuluniformen. St. Oswald's - die andere Welt, zu der er nie zählen durfte, wo er nie dazugehören würde.
Es gibt eben Gentlemen und es gibt Players. Und in St. Oswald's werden nur künftige Gentlemen aufgenommen und unterrichtet.
"Snyde" beginnt, ein Doppelleben zu führen: es besucht die öffentliche Schule, nimmt aber wann immer möglich am Schulalltag in St. Oswald's teil.
Und er bleibt unsichtbar, niemand deckt den Schwindel auf. Einerseits ist genau das "Snydes" Ziel, andererseits sehnt er sich fast danach, dass er enttarnt wird.

Jahre später schwört er Rache - und mit gefährlicher Raffinesse und abgrundtiefer Bösartigkeit macht er sich auf, St. Oswald's zu vernichten. Hungernd nach Anerkennung und "wahrgenommen werden" begibt er sich in eine Schlacht, aus der keine Sieger hervorgehen können...

Der Thriller wird zeitlich wie auch personell auf mehreren Ebenen erzählt: neben dem Erzähler "Snyde" berichtet auch Roy Straitley, altehrwürdiger Lateinlehrer, von den aktuellen und damaligen Geschehnissen aus seiner Sicht, was der Geschichte große Spannung und Dynamik verleiht.
Der Leser ist scheinbar dem jeweiligen Erzähler immer einen Schritt voraus, weil er die Entwicklungen ja auch aus einer anderen Perspektive nahegebracht bekommt.
Als man sich jedoch des Rätsels Lösung sicher ist, macht die Story eine rasante Kehrtwendung, und man kann mit den sich überschlagenden Ereignissen kaum mehr Schritt halten.

Die Romanhelden sind psychologische Meisterwerke, und es ist grausam faszinierend zu verfolgen, wie einfach es ist, Menschen zu manipulieren und sie gesellschaftlich unmöglich zu machen.
Wie leicht unsere Achillesfersen auszumachen sind, wie schnell "Freunde" sich abwenden und wie schnell der Mensch doch mitten ins Herz getroffen und vernichtet werden kann.

Joanne Harris versteht es, ihre Leser zu begeistern. Mit "Das verbotene Haus" hat sie sich jedoch selbst übertroffen. Der Thriller ist spannend, fesselnd, und besticht durch die meisterhaft aufgebaute Geschichte genauso wie durch seine Charaktere.

Eva May