Das Buch direkt bei Amazon bestellen Gunnar Staalesen
Von Angesicht zu Angesicht

Original: Ansikt til ansikt
aus dem Norwegischen von Kerstin Hartmann-Butt
Scherz TB
ISBN 3-596-16806-6

Privatdetektiv Varg Veum ist entsetzt: In seinem Wartezimmer sitzt ein toter Mann.
Sein stiller Gast - der Lehrer Erlend Ekerhovd - hatte anscheinend auf eigene Initiative Nachforschungen über einen rätselhaften Mord angestellt, der vor vierzehn Jahren an der Nordwestküste Norwegens passiert ist.
Eine Frau hat ihrem Leben ein Ende gesetzt, indem sie ins Meer ging. Aber Erlend Ekerhovd, der die Frau sehr gut gekannt hatte, zweifelte an einem Selbstmord. Er glaubt, dass die Frau ins Wasser getrieben wurde.
Hat ihn sein Misstrauen am Ende das Leben gekostet?

Rezension:
"Es gehört so wenig dazu, ein Menschenleben zu zerstören."

Dies muss Privatdetektiv Varg Veum traurig feststellen, nachdem er den Spuren von Erlend Erkerhovd folgt, der den rätselhaften Tod von Hildegunn Hogset aufklären wollte und dabei selbst den Tod fand.

Zunächst scheint der Fall ganz klar: In Veums Büro ist ein Mann an einem Herzinfarkt gestorben. Die Polizei schenkt dem Fall keine große Bedeutung, ordnet aber eine Obduktion an, da Erlend Erkerhovd sich kurz vor seinem Tod telefonisch bei Veum angemeldet, von einer dringenden Angelegenheit gesprochen hatte und dann tot im Wartezimmer des Privatdetektivs aufgefunden wurde.

Die Ehefrau des Verstorbenen bittet sofort Veum um Hilfe, da sie nicht an einen natürlichen Tod glaubt. Veum begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit. Vor 14 Jahren hatte Hildegunn Hogset, eine ehemalige Mitbewohnerin von Erkerhovd in der damaligen Studenten-Wohngemeinschaft, sich angeblich das Leben genommen.
Je mehr Nachforschungen Veum anstellt, desto rätselhafter erscheint die Person Hildegunn und die Umstände um deren Tod.
Wer war sie, die die Männer (und Frauen) in der Wohngemeinschaft verführte, ihr Herz zu gewinnen suchte, nur um sie danach wieder fallen zu lassen?
Wer von den ehemaligen Mitbewohnern war so tief gedemütigt, dass er etwas mit ihrem Tod zu tun haben könnte?
Was hatte Erlend Erkerhovd herausgefunden, dass er auch sterben musste?

Der sympathische Varg Veum, ehemaliger Sozialarbeiter und "einsamer Wolf", verwendet seine ganze Energie für diesen Fall. Vielschichtig waren die Beziehungen der Menschen, die einst zusammen lebten, sich auch politisch engagiert hatten, und die im Heute so wenig miteinander gemein haben.
Hatten die Tode von Hildegunn und Erlend gar einen politischen Hintergrund? Die starke politische Prägung der damaligen Studenten hatte bei einigen eine aggressive Form angenommen.

Die Lösung des Falles kommt plötzlich, obwohl der aufmerksame Leser gegen Ende des Buches die Tendenz der Auflösung erkennen kann. Das Buch ist spannend bis zum Schluss.
Die Vielfalt der zwischenmenschlichen Beziehungen wird dem Leser nach und nach vermittelt, indem die Personen, die Veum befragt, sich an ihre ganz eigenen Begegnungen mit Erlend und Hildegunn erinnern.
So liest sich die Story trotz zahlreicher Akteure und deren Lebensgeschichten flüssig und die Charakter der Verstorbenen werden im Verlauf immer greifbarer.

Es ist eine Geschichte über das Leben und was es mit uns Menschen macht, aber auch darüber, was wir trotz Schicksal in der eigenen Hand haben. Staalesen führt uns an unsere Begierden und Schwächen heran, aber er begegnet uns auch mit wohlwollender Menschlichkeit.

Eva May