Das Buch direkt bei Amazon bestellen James Sallis Jürgen Bürger
Driver

Original: Drive
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
Liebeskind gebunden
ISBN 978-3-935890-46-5

Driver ist kein Verbrecher. Jedenfalls nicht im engeren Sinne.
Er ist nur der beste Stuntfahrer, den man in Hollywood kriegen kann. Und manchmal fährt er bei Raubüberfällen den Fluchtwagen, obwohl ihn das gar nicht so richtig interessiert.
Genauso wenig wie die Hollywoodfilme.
Eigentlich will er nur fahren.
Aber dann läuft einer dieser Überfälle schief, und Driver findet sich in einem schäbigen Motel in Arizona wieder, mit mehreren Leichen im Zimmer und einer Tasche voller Geldscheine.
Eigentlich sollte auch er tot sein, denn der Raubüberfall war eine abgekartete Sache.

Rezension:
Wer sagt denn, dass ein guter Kriminalroman deutlich mehr als 400 Seiten haben muss?
Und sind nicht gerade die dünnen, verdichteten Geschichten die, in denen sich die Kunst des Schreibers besonders zeigt?

Dass der Sallis James in der Tat weiß, was er tut, zeigt sich auf den vorliegenden nicht einmal 160 Seiten, denen nichts, aber auch gar nichts mangelt.
Dynamik ist da, große Gefühle von Liebe, Tod, Abschied, Freundschaft und der ruhigen Akzeptanz derer, die begriffen haben, dass das Leben eben so ist wie es ist – was allerdings nicht bedeutet, dass man es auch so nehmen muss.

Driver, der sich als Stuntfahrer einen Namen gemacht hat, ist das beste Beispiel dafür, dass man immer eine Wahl hat: Eine Kindheit als Diebstahlsgehilfe des Vaters, bevor die völlig verwirrte Mutter dafür sorgt, dass er zu Pflegeeltern kommt und schließlich die Entdeckung, dass ihm hinter dem Steuer niemand so schnell etwas vormacht.
Ein Mentor, der ihn zum Film bringt – und stirbt.
Ein Kleinganove, der ihm zu einem lukrativen Nebenerwerbsgeschäft verhilft – und stirbt.
Eine Frau – erschossen.
Ein Kind – abgeschoben.

Und der Leser steht neben diesem Mann, der beobachtet, wie die Dinge gewaltig aus dem Ruder laufen. Der sich zunächst nur seiner Haut wehrt und Gewalt nicht als Mittel zum Zweck ausübt. Der immer noch einen Dreh findet, den Verfolgern zu entkommen und den spieß umzudrehen.
Und heimlich (oder ganz offen) wünscht du dir, so zu sein, wie er ...
Mit wenig mehr Gepäck als einem alten Matchsack und immer einem gut aufgearbeiteten Auto unterm Hintern.

Erstaunlich wie in dieses Bändchen aus dem Hause Liebeskind (wo immer wieder qualitativ hochwertige Romane von sich reden machen), das gerade mal so umfangreich ist, wie die Taschenbuchvorschauen mancher großer Verlagshäuser, so viele Leben, so viele Schicksale passen.
Auch wenn es oft nur Momentaufnahmen sind, die der Autor von all den Figuren liefert – dem alkoholkranken, alten Arzt, den italienischen Mafiosi, den anderen Fahrern und Autoschraubern, dem Kriegsveteranen mit der zerschossenen Lunge, nicht zu vergessen General Westmoreland, dem Hund, und Miss Dickinson, der Katze.
Sie alle dauern den Leser und besitzen doch ihren ganz eigenen Charme und ihre Würde.

Aber der beste von allen ist doch Driver. Er hat ein Herz für die, die es gut mit ihm meinen und gibt den anderen, was sie verdienen. Von sich aus sucht er keinen Streit – aber er ist nicht bereit, die andere Wange hinzuhalten.
Kurzum: ein echter Kerl!
Da werden die Leichen, die seinen Weg pflastern, fast bedeutungslos.

Und wenn er, irgendwie einsam und auch ein bisschen bedrückt, mit Blut an den Händen in den Sonnenuntergang fährt, dann weiß der Leser, dass ihm hier ein richtig gutes Stück Literatur präsentiert wurde, das weder die großen Kritiker noch eine mögliche Verfilmung scheuen muss!

Miss Sophie