Das Buch direkt bei Amazon bestellen Andrea Schacht
Göttertrank

Historischer Roman
Blanvalet gebunden
ISBN 978-3-7645-0273-7

Potsdam, 1829.
Amara Zeidler steht vor dem Nichts.
Dem Glück ihrer Kindheit auf dem mecklenburgischen Landgut Evasruh längst entwachsen, den folgenreichen Tod des Stiefvaters kaum verwunden, verliert sie auch noch ihre über alles geliebte Mutter.
Doch das Schicksal führt sie ausgerechnet mit dem jungen Ingenieur Alexander Masters zusammen, der ihr eine Anstellung in einem Ausflugslokal an der Havel verschafft.
In der liebevollen, familiären Atmosphäre blüht Amara auf und entsinnt sich der Leidenschaft ihrer Kindertage: Der Schokolade. Virtuos in der Verwendung des edlen Rohstoffs, arbeitet sie an Rezepturen und Verfahren zur Verfeinerung ihrer köstlichen Kakaoprodukte.
Der Erfolg jedoch währt nicht lange: Das Schicksal schlägt erneut zu, und Amara muss Berlin verlassen und untertauchen.
Doch sie wird sich gegen Borniertheit, Willkür und Rachsucht durchsetzen – und in einem alten Bekannten die Liebe ihres Lebens finden ...

Rezension:
Schon gleich am Anfang zeigt sich die ganze Bandbreite dessen, was den Leser in dieser Familiensaga bester Tradition erwartet, die so bittersüß ist wie der köstliche Kakao, dem sie ihren Titel verdankt:

Hier sehen wir ein kleines Mädchen, wohlbehütet in einer warmen, behaglichen Küche, umsorgt und geliebt und nicht einmal bestraft, als es beim Naschen des sündhaft teuren Kakaos ertappt wird ...

... während dort ein Neunjähriger inmitten der Gefahren und Verwundeten der Schlacht von Waterloo selbst zwar mit verhältnismäßig wenigen Blessuren davonkommt, aber durch das erlebte Grauen sein Gedächtnis verliert und zudem völlig auf sich allein gestellt ist.

Dieses Wechselbad der Szenarien zieht sich durch den gesamten Roman:

Angefangen von den Figuren selbst: Neben Amara, der unehelichen Tochter einer Zuckerbäckerin und Alexander, dem bettelarmen Pferdeburschen, geben sich die höchst unterschiedlichen Kinder eines Barons (Dorothea und Max), ein adliger junger Mann (Julius), der Sohn eines reichen Bremer Kolonialwarenhändlers (Jan Martin) und nicht zu vergessen eine von Grund auf niederträchtige Type (Karl-August) sowie zahlreiche andere schillernde Charaktere ein Stelldichein.

Schier unglaublich, was die sorgsam eingeführten Protagonisten auf mehr als 600 Seiten erleben müssen: Von Versklavung über Fronarbeit bis hin zu Perversion, Gewalt in der Ehe und heimtückischem Mord reicht die Palette des Grauens. Sogar die versehentliche Tötung eines Freundes mit nachfolgender Flucht vor der Polizei gehört zu den Höhen und Tiefen dessen, was die Figuren (und Leser) erwartet.

Doch Schacht wäre nicht Schacht, wenn sie ihren Kreaturen nicht auch eine ordentliche Portion Humor und Einfallsreichtum an die Hand gäbe, um mit all diesen Widrigkeiten des Schicksals fertigzuwerden.

Einfach köstlich, wenn etwa der böse Quertreiber, der immer wieder auftaucht und bei dem Verleumder ein offenes Ohr finden, mehr als einmal Opfer eines Streiches wird.

Ganz abgesehen davon, wie viel Freude es macht, Stehaufmädchen Amara dabei zu beobachten, wie sie sich, unterstützt von vielen, vielen hilfreichen Händen, immer wieder aufrappelt, um am Ende über all ihre Widersacher zu triumphieren.

Und ganz besonders erfreulich für alle Schacht-Fans: Nach 200 Seiten gibt es ein Wiedersehen mit Toni aus der „Kreuzblume“.

En passant lässt sich außerdem wieder einiges lernen und erfahren: Etwa darüber, dass der berühmte Turnvater Jahn (bei Generationen von Nachwuchsrecken gedanklich untrennbar verbunden mit weißen, körpernahen Turnleibchen) als politischer Agitator gefürchtet und gar bestraft worden war.

Oder über die Arbeitsbedingungen und Zustände in den Fabriken im 19. Jahrhundert, wo sich immer wieder gefährliche Unfälle ereigneten, weil zu wenig Ingenieure die von ihnen konstruierten Maschinen auch in der Praxis erprobten.

Nicht fehlen dürfen die für damalige Zeiten selbstverständlichen Randbedingungen: Kinderarbeit, ungewollte oder erzwungene Ehen quer durch alle Schichten, hilflose Nachkommen, gefangen in einem gesellschaftlichen Korsett voller Konventionen und Standesunterschiede, wie man sie sich heute kaum noch vorstellen kann ...

Der Reiz dieses farbenprächtigen, spannenden Romans liegt in den mannigfaltigen Geschichten in der Geschichte, die sich dem atemlosen Leser bieten.
Wer danach nicht den verführerischen Duft von Kakao in der Nase und den dringenden Wunsch verspürt, nach Südamerika zu reisen (bzw. zumindest entweder das Buch gleich noch einmal von Anfang zu lesen oder eine Tafel Schokolade zu essen – oder natürlich beides gleichzeitig!), dem ist wirklich nicht mehr zu helfen!

Miss Sophie