Das Buch direkt bei Amazon bestellen Simone Buchholz
Revolverherz

Droemer TB
ISBN 978-3-426-19813-1

Es ist Frühjahr in Hamburg. An einem nebligen Morgen wird im Hafen eine tote junge Frau gefunden. Nackt und mit einer hellblauen Perücke auf dem Kopf. Sie war Tänzerin in einem Stripschuppen auf dem Kiez. Genau wie das nächste Opfer, das man finden wird, und das danach ...
Die zuständige Staatsanwältin für den Fall ist Chastity Riley, Tochter einer Sekretärin und eines amerikanischen Offiziers.
Eine harte und zugleich zarte Frau, eine verkappte Romantikerin mit Dauerkarte für die Spiele des FC St. Pauli, die zu viel trinkt und sich keine Gefühle zugesteht.
Chas taucht ein ins Hamburger Rotlichtmilieu, gemeinsam mit den Kommissaren Faller und Calabretta und dem ehemaligen Einbrecherkönig Klatsche, der ihr längst schon mehr ist als ein Freund.
Die vier waten durch einen Sumpf aus Morden, Einsamkeit und gebrochenen Herzen - und am Ende sieht es für einen von ihnen verdammt schlecht aus.

Rezension:
Wenn du den Kiez nicht kennt, dann ist das sündige Herz Hamburgs ein verdammt hartes Pflaster.
Wenn du aber dazugehörst, dann willst du dort nie wieder weg.

So geht es Autorin Buchholz und so geht es auch ihrem Alter Ego Chastity Riley - beide vom hessischen Hanau in die Hansestadt emigriert.
Als Staatsanwältin steht die Ich-Erzählerin zwar auf der "anderen" Seite des Gesetzes, hat aber dennoch gute Freunde in alle Ecken St. Paulis.

Mit Leichen kennt sich die Halbamerikanerin aus, seitdem sie ihren Vater fand, der sich an ihrem 20. Geburtstag erschossen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die Mutter schon seit 18 Jahren fort - durchgebrannt mit einem anderen.
Kein Wunder also, dass das Verhältnis der Enddreißigerin zu ihren Mitmenschen, insbesondere dem anderen Geschlecht, nicht ganz ungetrübt ist.
Außerdem friert sie leicht und neigt zu Ohnmachten im unpassendsten Moment.

Wie gut, dass es den einen oder anderen gibt, der sie dann (in jeder Hinsicht) auffängt: Vom alten Kommissar Faller, dem väterlichen Freund, der sich und der Welt noch einmal etwas beweisen muss über dessen designierten Nachfolger, den Halbitaliener Calabretta, Cafébesitzerin Carla, die ständig bestrebt ist, ihre Freundin zu verkuppeln bis hin zu Klatsche, dem Ex-Einbrecher, der jetzt einen gefragten Schüsseldienst betreibt.

So interessant und spannend der Fall bis zum turbulenten Ende auch ist - es geht um skalpierte junge Frauen - lebt der Roman doch vor allem von der Atmosphäre: Dem Leben auf der Reeperbahn, den Beziehungsgeflechten der Protagonisten, die bis hin zur kleinsten Nebenfigur so lebendig beschrieben sind, dass man sie förmlich vor sich zu sehen glaubt.
Fast alle haben sie ihr Päckchen zu tragen, sind irgendwie auf der Suche - nach Liebe, Geborgenheit, Anerkennung, Erfolg ...
Vor allem aber schlummert in dieser Riege schillernder, rührender, aber auch abgrundtief unsympathischer Figuren ein riesiges Potential: Da ist noch lange nicht alles auserzählt, da geht noch viel mehr - und da kommt hoffentlich noch einiges!

Und dann bitte genau so: Mit Kapiteln, bei denen kein Satz zu viel - aber auch keiner zu wenig ist. Mit auf den Punkt gebrachten Bildern, wie dem vom Geruch in der Pathologie, Marke "umgekippter sizilianischer Likör auf Domestos". Mit genügend Witz, um die teilweise düsteren Geschichten aufzulockern, Herz, um hinter die Fassaden zu blicken, und dennoch einem Händchen für Spannungsmomente.

Ein Debüt soll das sein? Dieser Kiez-Krimi liest sich, als habe die Autorin nie etwas anderes getan als verdammt gute Romane zu schreiben.
Unbedingt weiter so!

Miss Sophie