Das Buch direkt bei Amazon bestellen Nina Kramer
Ein Leben ohne mich

Pendragon TB
ISBN 978-3-86532-107-7

"Schneeflocken" nennt man die namenlosen Embryonen in den Kühlschränken der Reproduktionslabore. Schlafende Seelen. Die Überreste eines Traums vom Wunschkind, das sich kaufen lässt wie eine Designer-Küche.
Namenlos ist auch jene Frau, die in die Klinik eingeliefert wird. Nackt, kahl rasiert, und ohne Gedächtnis. Es ist Romy Cohen, die vergessen hat, was sie alles weiß.
Über die "Schneeflocken", über das "Weiße Gold", aus dem sie entstehen - und über den Handel mit menschlichen Genen.
Auf der Suche nach sich selbst und ihrer Vergangenheit, entschlüsselt Romy Cohen nach und nach die Pläne und Verzweigungen des organisierten Embryonenhandels.
Doch als sie ihrem Mörder eine Falle stellt, muss sie entdecken, dass auch sie nicht frei von Schuld ist.

Rezension:
Auftritt:
Ein Samenspender (junger Arzt), eine Eispenderin (Ex-Playmate mit Schulden), acht Eier mit unterschiedlichem Werdegang (einige eingepflanzt, andere im Namen der Forschung "verbraucht", wieder andere tiefgekühlt ... - manchmal geht bei all diesen Prozeduren was kaputt, aber ein wenig Schwund hat man ja immer ...)

Es folgen ein kaltblütiger Mord an einer jungen Frau, kurz darauf ein zweiter gewaltsamer Tod, und dann die Bekanntschaft mit den folgenden Protagonisten:

- Ben Martin: Rollstuhlfahrer, Journalist, vernetzt und verkabelt mit der ganzen Welt.
- Gretchen Butterbrood (ein Name, der für sich allein schon eine Geschichte wert wäre): LKA-Beziehungssachbearbeiterin, in ihrer eigenen "Beziehung" jedoch alles andere als eine Spezialistin ...
- Luka: Mitte 30, im Dienst der Wissenschaft unterwegs (und wie 11 andere in einer Petrischale entstanden)
- sowie Romy Cohen: schwer verletzt auf einem Rastplatz gefunden, ein wandelndes Konversationslexikon, allerdings ohne jede Erinnerung an ihre persönliche Vergangenheit und die Ereignisse, die das reaktionsschnelle Muskelpaket in diese Situation gebracht haben.

50 Seiten lang sucht der Leser nach dem Faden, der all diese Personen und Erlebnisse verknüpft - aber eigentlich, eigentlich ist er schon nach dem ersten Kapitel so fasziniert, dass die Informationen, wer was warum mit wem tat nur noch willkommene Ergänzung, keinesfalls aber Voraussetzung für den Sog sind, die diese Lektüre ausübt.

Was da angedeutet - oder gar offen ausgesprochen - wird, ist ebenso ungeheuerlich wie faszinierend. Erschreckend und gleichzeitig ... ja, wie soll man es nennen ... verlockend? Und zwar mitnichten, weil Möglichkeiten angedeutet werden, nicht nur das Geschlecht, sondern auch Haar- und Augenfarbe festzulegen.
Denn plötzlich scheint die Elimination schwerer Erbkrankheiten im Bereich des Möglichen - was aber wäre das? Segen oder Fluch? Und wer würde entscheiden können und dürfen, ab wann eine gesundheitliche Beeinträchtigung "schwerwiegend" genug ist, um dem Kind-to-be die Existenz zu verwehren?

Andererseits: Wo fängt man an, wo hört man auf, wenn es um die Legitimität der Entscheidung für Eigenschaften, Charakterzügen, äußerliche Merkmale geht?
Verständlich, könnte man meinen, dass Eltern in spe sich eine gewisse Familienähnlichkeit wünschen, auch wenn das Kind biologisch wenig mit ihrem eigenen Erbgut zu tun hat.
Aber was, wenn sie es vorzögen, die Optik von Angelina Jolie mit dem Gehirn von Stephen Hawking zu paaren? Und ... was tun, wenn die Kombination der beiden Gene sich dann leider doch nicht als Garant für den überirdisch schönen Intelligenzbolzen schlechthin herausstellen sollte ....?

Allein schon das weite Feld der Spekulationen in diese Richtung würde "Ein Leben ohne mich" ausgesprochen lesenswert machen.
Der Roman der vielseitigen Nina Kramer aka Nina George aka Anne West kann aber noch viel viel mehr: Dieser verdammt gut gemachter Wissenschaftsthriller mit seiner gelungenen Mischung aus Action, Suspense, Erotik und jeder Menge filmreifer Szenen sorgt dafür, dass kein Leser das Buch absetzen kann, bis am Ende erst ein blutiger, dann ein hoffnungsvoller Schlusspunkt erreicht ist.

Miss Sophie