Silvia Kaffke
Das rote Licht des Mondes
Wunderlich gebunden
Ruhrort, 1854: Das Zeitalter der Industrialisierung ist angebrochen. Fabrikanlagen wachsen aus dem Boden, der Handel mit Rohstoffen blüht. Arbeiter strömen aus allen Richtungen herbei, die Stadt ist im Wandel.
Rezension:
Und so tummeln sich nun zum ersten (aber hoffentlich nicht letzten) Mal in Ruhrort, Duissern, Meiderich eine Reihe von starken Figuren, die beweisen, dass Autorin Kaffke, deren Serienmordspezialistin Barbara Pross ja bereits erfolgreich verfilmt wurde, auf mehr als einem literarischen Parkett zu Hause ist.
Einmal ist da die etwas altjüngferliche, aber couragierte Lina, aufgrund einer Gehbehinderung zum Dasein einer Hausdame beim eigenen Bruder verdammt, bis sie sich gegen das Gegängelt werden auflehnt und auch durch Handgreiflichkeiten nicht von ihrer Selbständigkeit abbringen lässt.
Keinen leichten Stand hat auch der "Neue", Robert Borghoff, der einäugige Commissar aus der Stadt wird vom Bürgermeister, seinem direkten Vorgesetzten immer wieder ausgebremst, um nicht in Gefahr zu geraten, den braven Bürgern auf die Füße zu treten.
Spannend und akkurat sind die Schilderungen, die Kaffke vom Leben sowohl in den Häusern der Bürgerlichen als auch in den zwielichtigen Ecken der Stadt liefert, dort wo die leben, die vom Schicksal nicht begünstigt wurden.
Neu ist sie nicht, die Idee der aufmüpfigen Bürgerstochter; die sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen will - und doch faszinierend zu lesen, wie sich Lina eine Einkommensquelle schafft, sowie ihr eigenes Leben und das der Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld verbessert, während sie nebenher noch einen Kriminalfall rund um satanische Riten, gequälte Kinder und entführte Babies aufklärt.
Die Geschichte der wackeren Lina und ihrer Freunde, das ist Lesevergnügen pur - nicht nur, aber zum Beispiel für Fans von Petra Oelkers "Rosina"-Romanen.
Bravo, Frau Kaffke - und bitte weiter so!
Miss Sophie
ISBN 978-3805208635
Die 35-jährige Carolina Kaufmeister ist fest entschlossen, die Zeiten des Umbruchs zu nutzen, um ihr Leben zu verändern. Ihr Vater, ein angesehener Spediteur und Reeder, liegt im Sterben. Wohl wissend, dass ihr als Unverheirateter nur ein Platz im Haushalt ihres Bruders Georg bleibt, träumt sie dennoch davon, sich ihren Unterhalt als Kleidermacherin zu verdienen.
Zu ihrer großen Freude erteilt ihr der Vater auf dem Sterbebett die Erlaubnis - doch Georg verweigert ihr das elterliche Erbe. Mittellos und allen Konventionen zum Trotz kämpft Lina um ihre Selbständigkeit.
Als sie eines nebligen abends auf die grausam zugerichteten Leichen zweier Mädchen stößt, bietet sich ihr ein Bild des Entsetzens: Beiden raubte man die Herzen, dem älteren sogar ein Kind aus dem Leib.
Wer kann diese schrecklichen Morde begangen haben? Ein Mensch oder handelte es sich etwa um das Werk des Teufels? Während die Bürger der Stadt in Untätigkeit verharren, findet man weitere Frauenleichen ohne Herz.
Gemeinsam mit Robert Borghoff, dem neuen Commissar der Stadt, begibt sich die mutige Lina auf die Spur des Mörders. Doch der hat sie längst im Visier. Je näher die beiden der Wahrheit kommen, desto enger schließt sich der Kreis ...
Das historische Ruhrgebiet - keiner der gängigen Schauplätze für historische Romane.
Schade eigentlich, denn wie Silvia Kaffke, die profunde Duisburg-Kennerin anschaulich zeigt, gab es gerade dort, wo Rhein und Ruhr sich treffen, schon Mitte des 19. Jahrhunderts eine bunte Vielfalt an schillernden Figuren und unterschiedlichen Berufsständen - die perfekte Kulisse also für einen spannenden, historischen Roman abseits der ausgetretenen Krimikost.
Schwer nachvollziehbar für heutige Leser einige der Selbstverständlichkeiten jener Zeit: Frauen, die ihrem Vater, Mann oder auch Bruder untertan sein mussten. Komplette finanzielle Abhängigkeit nicht nur der Ehefrau, sondern auch der unverheirateten Töchter und Schwestern.