Das Buch direkt bei Amazon bestellen Silvia Roth
Querschläger

(2. Band)
Hoffmann und Campe gebunden
ISBN 978-3-455-40128-8

Bei dem Massaker am Clemens-Brentano-Gymnasium erschießt der vermummte Schütze elf Menschen. Als die Polizei das Gebäude stürmt, findet man nur noch seine Leiche mit der Tatwaffe in der Hand.
Bei dem Schüler passt alles zum Bild eines Amokläufers: Nikolas Hrubesch war ein gemobbter Außenseiter, ein begabter, sich verkannt fühlender Achtzehnjähriger, der Rache für zahllose Demütigungen nahm und sich selbst erschoss.
Kommissar Hendrik Verhoeven und seine Kollegin Winnie Heller stoßen bei ihren Ermittlungen jedoch schnell auf Ungereimtheiten.
So hatte Hrubesch offenbar keineswegs vor, nach dem Blutbad Selbstmord zu begehen, sondern wollte einen Mitschüler als wahren Täter hinstellen.
Und die Kugel in seinem Kopf stammt nicht aus der Waffe, mit der er seine Opfer tötete.
Die Indizien lassen nur einen alarmierenden Schluss zu: Es muss einen zweiten Schützen geben, der den Amokläufer ermordete und unerkannt entkam.

Rezension:
Keine zarte Einleitung wiegt den Leser in anfänglich trügerischer Ruhe, kein heiteres Geplänkel lässt ihn langsam in die Handlung hineinfinden ... nein, hier wird der Adrenalinspiegel gleich zu Anbeginn ordentlich in die Höhe getrieben!

Eine Undercover-Polizistin entkommt nur mit knapper Not einer äußerst brenzligen Situation, in der sie nur unter äußerstem Körpereinsatz ihre Deckung bewahren kann, während parallel dazu ein Jugendlicher den Amoklauf in seiner Schule plant.

Doch damit nicht genug:
Zu den Gespenstern der Vergangenheit, die die Polizistin umtreiben und dem verpatzten Einsatz gesellt sich auch noch ein Überfall, der jeden weniger gefestigten Menschen relativ zeitnah in größte psychische Not bringen würde (und natürlich auch Winnie Heller nachhaltig traumatisiert - würde dieser Vorfall nicht überlagert von dem, was sich dann zuträgt ...).

Packend und ausgesprochen bedrückend zugleich schildert Autorin Roth den Weg der Verwüstung, den sich der Schüler Nik durch seine Schule bahnt. Erinnerungen an die (viel zu) vielen, "echten" Massaker dieser Art werden wach - nicht zuletzt durch "echte" Zitate.

Eine Zeitlang scheint dann alles stillzustehen - so plastisch, so realistisch werden die Gefühle der Überlebenden geschildert ... fast meint der Leser, selbst dabei gewesen zu sein.

Doch dann nehmen die Ermittlungen ihren Lauf und das, was zutage tritt, ist von Seite zu Seite spannender.
Einerseits die grausamen Machtspiele der Schüler untereinander, bei denen Erpressung und Mobbing nicht das Schlimmste waren. Andererseits die zahlreichen Geheimnisse und unerwarteten Querverbindungen bei den Erwachsenen ... und mittendrin ein Ermittlerteam, das (noch) kein Team ist, weil es sich selbst im Wege steht.

Selbstzweifel, die Angst, dem anderen zu viel von sich selbst zu offenbaren, sich schwach zu zeigen, angreifbar zu werden. Und immer wieder die Furcht, sich bei zu großer Nähe verletzlich zu machen - schutzlos im Falle eines Verlustes ...

Dabei scheinen sie auf den ersten Blick doch gut zusammenzupassen:
Hendrik Verhoeven, äußerst ansehnlicher Typ mit seiner bildschönen, klugen Gattin, der reizenden Tochter, sowie einer lästigen und überdies stinkreichen angeheirateten Verwandtschaft, der nicht aus seiner Haut kann.
Und Winnie Heller, eher klein, keine Schönheit, aber eine ehrliche, treue Haut, unerschrocken und kreativ bei ihren Einsätzen, dabei ausgesprochen rührend im Bedürfnis, ja alles richtig und es allen recht zu machen. Nach außen spröde und stets in Angriffsposition, um ja niemandem etwas schuldig zu bleiben, aber in Wirklichkeit doch so schwach und angeschlagen.

Die Handlung ist bis zum rasanten Showdown packend und immer wieder unvorhersehbar, die Figuren (von der berlinernden Gerichtsmedizinerin bis hin zu den musisch benamsten Goldfischen) sympathisch und alles andere als "Dutzendware", der wohl dosierte Witz in Form von wenig "politisch korrekten" Dialogen zwischen Verhoeven und seiner Gattin ein wohltuend auflockerndes Element und das Potential, das noch in dieser Serie liegt, ein ganz gewaltiges.

Miss Sophie