Das Buch direkt bei Amazon bestellen Oliver Bottini
Jäger in der Nacht

(4. Band)
Scherz gebunden
ISBN 978-3-502-11018-7

Nichts verbindet Nadine, die reiche, gelangweilte Studentin aus Freiburg, und Eddie, den einzelgängerischen, gewalttätigen Fünfzehnjährigen aus einem Dorf am Rhein miteinander.
Bis auf eines: Beide sind innerhalb weniger Tage spurlos verschwunden.
Louise Bonì und ihre Ermittlerkollegen glauben nicht an einen Zufall.
Als Eddies Leiche gefunden wird und kurz darauf ein gutsituierter, allseits respektierter Familienvater einem grausamen Mord zum Opfer fällt, wird zur Gewissheit, was anfangs nur eine dunkle Ahnung war: Die Hintergründe dieses Falles sind grauenhafter, als Louise Bonì es sich vorzustellen imstande war.
Menschenjäger sind unterwegs, und längst hat ein Wettlauf mit der Zeit begonnen ...

Rezension:
Ein Prolog, der nichts Leichtes, Angenehmes, sanft Einstimmendes hat. Sondern die knallharte Geschichte eines geschundenen Jugendlichen, der davon träumt, seinen gewalttätigen Vater zu töten und sich dafür hasst, dass er zu schwach dazu ist.
Ein Junge, der sich aus der eigenen Hilflosigkeit heraus an der absoluten Schwäche eines anderen Menschen weidet und dafür letztendlich mit dem Leben bezahlt.
Knapp 20 Seiten nur ... - aber wer hier nicht schon absolut gefesselt förmlich an den Buchseiten klebt, dem ist nicht mehr zu helfen!

Und Autor Bottini behält sein Tempo bei: Denn schon bald wird klar, dass die verschwundene Studentin aus dem liebevollen Elternhaus möglicherweise noch lebt, allerdings nach wie vor in großer Gefahr schwebt; nicht zuletzt dank Eddie, dem Proletenkind, dessen Vater, der Schläger, den Polizisten ordentlich zu schaffen macht.

In alle Gesellschaftsschichten führen die Ermittlungen, grenzübergreifend spielt sich die Suche ab - und für den Kenner der Reihe gibt es viele Neuerungen:
Protagonistin Bonì ist raus aus ihrer Baustellenbude, wofür sie sich teuer bezahlen ließ. Vom Geld hat sie sich ein neues Auto gekauft, eine neue Wohnung ausgestattet und auch der neue Mann in ihrem Leben scheint Bestand zu haben.
Dieser Wandel der äußeren Umstände führt auch zu einigen charakterlichen Veränderungen der Mitt-Vierzigerin: Sie will schön und weiblich sein, gönnt sich hübsche Kleidung, ist gelassener im Umgang mit den Kollegen ...

Auch manche der Rahmenbedingungen sind diesmal anders: Zwar steht an Louises Seite wieder Lieblingskollege "Illi", der nach den traumatischen Erlebnissen der Vergangenheit aus der Zwangspause zurückgekehrt ist, doch statt der anderen, dem Leser schon vertrauten, Mitglieder der Abteilung wird sie diesmal unterstützt durch ein paar Haudegen aus dem Dezernat Organisierte Kriminalität.
Kernige Kerle, Männer von altem Schrot und Korn - was die Zusammenarbeit nicht wirklich einfacher macht.

Manches allerdings ändert sich nie: Immer noch kann die resolute Halbfranzösin es nicht lassen, illegale Dinge zu tun - sich Zutritt zu verschaffen, wo sie eigentlich nicht sein darf, im Alleingang weitere Kollegen oder gar Zivilisten ins Boot zu holen ...

Im Lauf der Handlung tun sich immer wieder Abgründe auf - Zusammenhänge, die man sich gar nicht vorstellen möchte ... Unmenschliche Eltern, Menschen, die ihre Position, ihr Amt missbrauchen, Biedermänner, hinter deren Fassade das Grauen lauert.
Und wenn Bottini seine Heldin in ein Haus schickt, in dem vielleicht ein Mörder lauert, dann schießt Adrenalin pur durch die Adern des Lesers. Er kann nicht aufhören mit der Lektüre - und wünschte doch, es wäre alles schon vorbei: Die unheilvollen Szenen, die permanente Furcht, Bonì könnte - wie schon so oft - Verderben bringen über die, die ihr vertrauen, ihr zuarbeiten ...

Oliver Bottini ist es gelungen, eine Protagonistin mit Profil zu schaffen - keine sympathische Sauberfrau, sondern eine Figur aus Fleisch und Blut mit vielen Ecken und Kanten. Zwar ist sie mittlerweile trocken und doch begeht sie aufgrund von Falscheinschätzungen immer mal wieder fatale Fehler, will das Gute und tut zu viel ... oder zu wenig, weil sie nicht mehr weiß, wem sie vertrauen kann.

Gekonnt baut der Autor Blitzlichter in die Vergangenheit ein, zerrt Erlebnisse aus den drei Vorgängerbänden ans Licht, die auch jenen, die die Reihe nicht kennen, deutlich machen, dass es da Erlebnisse gab, die die Kollegen zusammengeschweißt, gleichzeitig aber auch Narben geschlagen und Zeichen gesetzt haben, die sich nie wieder auslöschen lassen.

Und so sehr es "der Bonì" zu wünschen wäre, endlich ein unbeschwertes Glück zu finden und ihre Fälle lösen zu können, ohne ein ums andere Mal selbst draufzuzahlen ... so klar ist auch, dass das nie geschehen wird (die Gründe führt der Autor übrigens im ausgesprochen lesenswerten Exklusiv-Interview im März 2009 sehr schlüssig aus! Und wer noch mehr darüber wissen will, wie Bottini seine Heldin sieht, liest am besten auch noch das Interview vom November 2004 ).

Woran allerdings kein Zweifel besteht: Bonì macht süchtig, also bitte mehr von ihr!

Miss Sophie