Das Buch direkt bei Amazon bestellen Jonathan Stroud Bernadette Ott
Die Eisfestung

Originaltitel: The Last Siege
Übersetzt von Bernadette Ott
Cbj TB
ISBN: 978-3-570-30523-2
(Ab 12 Jahren)

Eigentlich wissen Emily und Simon so gut wie nichts über Marcus. Es war Zufall, dass sie einander auf dem gesperrten Burggelände begegneten; und es war nur eine fixe Idee, einzusteigen und in der Ruine zu übernachten. Einfach so, als kleiner Nervenkitzel inmitten öder Ferien.
Doch Marcus verwandelt die Burg in eine Festung mit vereisten Treppen und bereit liegenden Wurfgeschossen. Emily und Simon sind bei ihm, als er schwört, nie mehr nach Hause zurückzugehen - die beiden machen sich ihren eigenen Reim auf die blauen Flecken in Marcus' Gesicht.
Währenddessen rücken sie draußen vor: zunächst nur Marcus' Vater, dann der Burgwächter, Polizei, eine Sozialarbeiterin, Feuerwehr mit Gerät - die Belagerer, der FEIND, der Markus herausholen will!
Was als übermütiges Spiel begann, schlägt still, heimlich und leise um in einen Albtraum.

Rezension:
Mit einer winterlichen Keilerei geht alles los ... - allerdings handelt es sich dabei um keine harmlose Schneeballschlacht und auch nicht um eine der legendären Mann-gegen-Mann-Prügeleien Kästnerscher Prägung.
Nein, was sich hier abspielt, ist rohe Gewalt. Aus Spaß. Stärkere gegen Schwächere. Am Ende stehen blutende Wunden, eine Niederlage, deren bittere Schmach mit Whiskey hinuntergespült werden muss und eine brandneue Freundschaft zwischen drei ganz unterschiedlichen Typen:

Emily, die keine Geschwister, aber Eltern hat, die entweder nicht zu Hause oder auf der Couch vor dem Fernseher zu finden sind.
Simon, der vier Brüder (von denen einer im Knast sitzt) und eine Schwester hat, von den Geschwistern und auch dem arbeitslosen Vater gerne als Prügelknabe benutzt wird.
Und Marcus, der ein fanatischer Burgen- und Geschichtenliebhaber mit großem Erzähltalent ist, sich aber über seine Familie lieber ausschweigt ...

Gemeinsam tun sie etwas ganz Verrücktes: Dringen in eine alte Burg ein und übernachten dort.

Doch was beim ersten Mal einfach ein großes, gruseliges Abenteuer war, wird kurze Zeit später zu einem aberwitzigen Altraumvorhaben: Angestiftet von Marcus verschanzt sich das Trio in der Burg, bereit, sich gegen die ganze Welt zu verteidigen. Ohne Rücksicht auf Verluste ...

Was zunächst wie ein Spiel klingt - rein theoretisch die notwendigen Maßnahmen durchzudiskutieren, mit denen man einer Belagerung standhalten kann, sich zu überlegen, wie das wohl war, vor vielen hundert Jahren, wenn sich die Menschen gegen die Übermacht ihrer Feinde verteidigen mussten ... das entgleitet in der Praxis schnell.
Obwohl es nicht so geplant war, werden Menschen verletzt und am Ende scheint die Katastrophe unausweichlich...

Nur wenige handelnde Personen, ein einziger Schauplatz - dennoch erzeugt Erfolgsautor Stroud beim Leser eine kaum auszuhaltende Spannung.
Einerseits ist da die deprimierende Realität: Häusliche Gewalt auf der einen, komplettes Desinteresse innerhalb der Familie auf der anderen Seite.
Andererseits der Traum aller Geknechteten und Ignorierten: Einfach ausbrechen aus dem Alltag, etwas ganz Verrücktes, Ungewöhnliches tun.
Wer hätte nicht Verständnis für den Reiz dieses Unternehmens? Und wer wünschte sich nicht insgeheim, selbst so mutig zu sein, den Hindernissen, der Dunkelheit und der Kälte zu trotzen, um ein solches nächtliches Abenteuer zu erleben?

Doch dann gewinnen die Dinge eine Eigendynamik, die sich nicht mehr steuern lässt und es geschieht, was niemand gewollt hat oder sich auch nur vorstellen konnte.

Dieser Roman ist harter Tobak - und ein Buch, das mit der letzten Seite noch lange nicht zu Ende ist.

Wer war nun im Recht, wer im Unrecht? Was war Wahrheit, was Lüge? Was wäre vernünftig gewesen - und wie hätte man sich selbst in einer solchen Situation verhalten?

Stroud ist ein großartiger Geschichtenerzähler - wie er in seiner "Bartimäus"-Trilogie hinreichend bewiesen hat. Genauso gelingt es ihm aber auch, auf kleinstem Raum ein Feuerwerk an Spannung, Action und Stoff zum Nachdenken zu schaffen!

Miss Sophie